1. Tag: So, 16.11.2003
- Düsseldorf - Cancun - Mexiko City -

Mit einer 10minutigen Verspätung hebt um 8.40 Uhr in Düsseldorf unser LTU-Flieger zum Flug nach Cancun ab. Der Airbus A330-200 ist vollständig ausgebucht. Ich habe zwar noch einen Fensterplatz ergattert, aber gerade in meiner Reihe gibt es keine Fenster. Mir bleibt also nichts anderes übrig, als nach vorne oder hinten zu schielen, um einen Blick nach draußen zu erhaschen.
Dabei fliegen wir tagsüber und so bieten sich ab und zu interessante Ausblicke durch Fenster an. Unsere Route führt nördlich von Amsterdam, dann am Liverpool und Manchester vorbei, über Irland und südlich von Grönland nach Kanada. Hier überqueren wir die Mündung des St.-Lorenz-Stroms. Man sieht sehr schön die verschneite Tundra-Landschaft und die große Insel Anticosti in der breiten Mündung. Weiter geht es entlang der US-Ostküste, u.a. an Boston, New York, Philadelphia und Washington vorbei, bevor wir südlich von Cape Canaveral Floridas Küste erreichen und die Halbinsel nördlich von Okeechobee-See durchkreuzen. Im Golf von Mexiko, nördlich von Kuba, sehen wir noch einige kleine Trauminseln, und schließlich erreichen wir nach 11 Stunden und 15 Minuten Flugzeit um 12.55 Uhr Ortszeit (-7 Stunden zur deutschen Zeit) Cancun. Mexiko City - Monumento a la Independencia, 'El Angel'  (Unabhängigkeitsdenkmal) an der Avenida Paseo de la Reforma (Wahrzeichen der Stadt)
Die karibische Urlaubsmetropole empfängt uns mit dicken Wolken, Regen und Temperaturen um die 27 Grad Celsius. Die Paßabfertigung und Gepäckausgabe in Cancun erfolgen sehr schnell - in 30 Minuten ist alles erledigt. Interessant ist dabei, daß unsere Koffer draußen direkt hinter einer Glaswand aus den Containern ausgeladen und auf das Forderband verladen werden. So kann man gut beobachten, wann das eigene Gepäck aus dem Flugzeug gebracht und dem Container entnommen wird.
Nach der schnellen Abfertigung folgt jetzt ein langes Warten - zunächst auf alle Rundreiseteilnehmer, die weiter nach Mexiko-City fliegen müssen, denn erst dort beginnt unsere Busrundreise "Auf den Spuren der Eroberer". Dann erfahren wir, daß unser geplanter Weiterflug leider überbucht ist, und daß wir auf drei andere Flieger aufgeteilt werden müssen. Ich bekomme das Ticket für den letzten Flug, der erst um 16.55 Uhr starten soll. Es bleibt also noch viel Zeit, die ich in der Flughafenhalle vertreiben muß.
Mit einer 15minutigen Verspätung startet schließlich die Boeing 757-200 der mexikanischen Fluggesellschaft "Mexicana" zur letzten Etappe meiner heutigen Anreise. Die Maschine trägt neben der vorderen Eingangstür ein großes päpstliches Wappen. Ob der Papst während eines seiner Mexiko-Besuche auch mit diesem Flugzeug geflogen ist? Der Flug verläuft unspektakulär. Da ich in der ersten Reihe im hinteren Teil des Fliegers sitze, genieße ich die uneingeschränkte Beinfreiheit.
Beim Landeanflug auf die Hauptstadt ist es draußen schon ganz dunkel, und so zeigt sich unseren Augen ein phantastisches Spektakel - ein Lichtenmeer in der Stadt, soweit das Auge reicht, egal in welcher Richtung man schaut. Überall kleine weiße Lichtpunkte. Einfach überwältigend.
Nach 1 Stunde 55 Minuten Flugzeit landen wir um 19.05 Uhr auf dem riesigen Flughafen der Hauptstadt. Die Ankunftshallen sind sehr groß und ziemlich unübersichtlich ausgeschildert. Wir finden keine Hinweisschilder, wo es zur Gepäckausgabe hingeht und so dauert es lange, bis wir nach einigem Herumirren schließlich den richtigen Weg finden. Überall hier gibt es Massen von Reisenden und Wartenden, die in alle Richtungen wollen und sich stellenweise dabei richtig drängeln. Nachdem wir endlich unsere Koffer abgeholt haben, werden wir von einem Meier's Reiseleiter abgefangen und an einer Stelle "abgestellt". Hier herrscht ein noch dichteres Gedränge. Wir stehen allen anderen ziemlich im Wege. Trotzdem warten wir geduldig weiter, aber es fehlen immer noch 6 Teilnehmer unserer Rundreise, die auch mit diesem Flieger kommen sollten.
Nach ca. 1 Stunde entscheidet der Reiseleiter schließlich, zum Bus zu gehen. Ein paar Hundert Meter weiter entdecken wir nahe dem Ausgang der Flughafenhalle die 6 Vermissten, die hier auch schon seit Ewigkeit warten. Die Warterei war also ziemlich unnötig, eine bessere Organisation wäre hier wünschenswert gewesen. Gegen 21.00 Uhr sitzen wir endlich im Bus. Zum Glück dauert die Überfahrt zum unseren Hotel "Plaza Florencia" nur ca. 20 Minuten. Das Hotel liegt in dem eleganten Geschäfts-, Büro- und Hotelviertel Zona Rosa, unweit des berühmten Denkmals der Unabhängigkeit - "El Angel". Nach der Zimmervergabe bin ich schon sehr müde - die lange Anreise ist nicht spurlos geblieben - und verzichte deswegen auf einen abendlichen Spaziergang durch die Gegend. Stattdessen gucke ich zu, möglichst schnell das Bett aufzusuchen.


2. Tag: Mo, 17.11.2003
- Mexiko City - Teotihuacan - Mexiko City -

Der heutige Tag beginnt nach einem sehr frühen Frühstück (ab 7.00 Uhr) mit der Aufteilung aller Rundreiseteilnehmer in zwei ca. 30köpfige Reisegruppen, die mit getrennten Bussen und eigenen Reiseleitern unabhängig voneinander reisen werden. Unser Reiseleiter heißt Markus, stammt aus Rosenheim in Bayern, ist ca. Mitte dreißig, seit ca. 13 Jahren in Mexiko lebend und hier verheiratet. Wie sich schon kurze Zeit später zeigt, ist er ein wirklich erstklassiger, engagierter Reiseleiter, der hier in Mexiko studiert und in verschiedenen Jobs schon sehr viel erlebt hat, und der weiß, darüber sehr spannend aber auch kompetent zu berichten. Schade nur, daß er nach unserer Rundreise diesen Job aufgeben will.
Pünktlich um 8.00 Uhr starten wir zur unseren Rundreise. Vom Hotel aus geht es über das Stadtviertel Zona Rosa und die repräsentative, schnurgerade Prachtstraße Avenida Paseo de la Reforma ins Stadtzentrum. Unterwegs sehen wir überall am Straßenrand aufgehängte mexikanische und deutsche Fahnen. Nicht aber zu unseren Ehren wurde geflaggt, sondern anläßlich des Besuchs von Bundespräsident Rau in den nächsten Tagen. Mexiko City - die Kathedrale (links) und die Kirche Sagrario Metropolitano (rechts) am Zócalo
Heute haben wir ein wunderschönes Wetter mit strahlend blauem Himmel und angenehmen Temperaturen (ca. 25 Grad). Nach einer kurzen Fahrt steigen wir vor der Kathedrale von Mexiko City aus, die den großen Zocalo - wie in Mexiko alle Marktplätze genannt werden - im Norden abschließt. Die Catedral Metropolitana, die wohl größte Kirche des amerikanischen Kontinents, zieht mit ihrer gewaltigen, aus Basalt und Sandstein geschaffenen, breiten Fassade sofort unsere Blicke an. Seit dem Baubeginn 1525 hat es fast drei Jahrhunderte gedauert, bis sie fertiggestellt war - so vermischen sich hier verschiedene Baustille miteinander, vom üppigen Barock bis Klassizismus. Rechts daneben befindet sich eine weitere Kirche, Sagrario Metropolitano, di sich harmonisch mit dem ultrabarocken Still der Kathedrale verbindet. Nachdem wir eine kurze Einführung gehört und die Fassade bewundert haben, betreten wir das Gotteshaus. Auch hier herrscht das Barock vor. Die Ausmaße der Kirche mit ihren beiden Seitenschiffen und den 14 Seitenkapellen sind imposant. Da die Kathedrale seit Jahren im sumpfigen Untergrund der Hauptstadt versinkt, wird sie im Inneren durch aufwändige Gerüste gestützt. Vorne sehen wir den Barock in Vollendung - den hölzernen, prunkvoll vergoldeten Altar der Könige. Wie in allen Kirchen in Mexiko, darf man auch hier nur ohne Blitz fotografieren. Die Größe und Schönheit des Innenraums kann aber kein Foto wiedergeben. Es ist schon ein richtiges Erlebnis, hier zu stehen.
Anschließend gehen wir zu den Ruinen des Großen Tempels (Templo Mayor) nordöstlich der Sagrario-Kirche. Die nicht besonders sehenswerten Restfundamente sind Überreste des ehemaligen Zeremonialzentrums der Azteken. Hier befand sich das Zentrum von Tenochtitlan, der riesigen Hauptstadt des Azteken-Reiches. Die Stadt lag im 14. Jh. auf einer Insel im Texcoco-See. Nach der Eroberung des Mexikos durch spanische Konquistadoren wurden 1521 die Pyramiden und Gebäude der Azteken dem Erdboden gleichgemacht und auf deren Trümmern die heutige Hauptstadt erbaut. Dabei wurde auch der See trockengelegt. Neben den Resten des Templo Mayor, seitlich der Sagrario Metropolitana, befindet sich ein großes Modell der damaligen Aztekenstadt, anhand dessen man sich ihre damalige Größe und Lage in dem See gut vorstellen kann.
An der östlichen Seite des Zocalo befindet sich das Palacio Nacional, unser nächstes Ziel bei der Besichtigung des historischen Zentrums. UNESCO-Weltkulturerbe Auf dem kurzen Weg dahin sehen wir neben dem Palacio eine Seitenstraße voll fliegender Händler mit riesigen Auslagen auf dem Boden. Obwohl an dieser so repräsentativen Stelle der Straßenhandel verboten ist, und direkt am Straßenausgang zum Zocalo hin ein Polizeiwagen mit zwei Polizisten steht, stört dies keinen. Es wird einfach offiziell - auch von der Polizei - behauptet, daß es hier keinen fliegenden Handel gibt. Das ist halt Mexiko.
Durch einen bewachten, schlichten Haupteingang an der Frontseite des langgezogenen Palacio gelangen wir in einen quadratischen Innenhof (einen der insgesamt 14) mit einem Springbrunnen. Das Gebäude wurde bereits von Cortes auf den Ruinen des Aztekenkönigs Moctezuma errichtet. Seit Jahrhunderten befindet sich hier der Tagungsort der Regierung. Das Gebäude ist außerdem der Sitz des Präsidenten, des Senats und des Abgeordnetenhauses.
Mexiko City - Polizisten in traditionellen Uniformen im Alameda-Park Bald widmen wir uns der größten Sehenswürdigkeit des Palacio Nacional - den gewaltigen Wandbildern, die sich an den Wänden des Treppenaufganges und der Galerie im 1. Stock befinden. Geschaffen wurden sie durch den bekannten Muralisten Diego Rivera in den Jahren 1929-35 und 1945-51. Solche Murales-Gemälde sind in vielen öffentlichen Gebäuden in Mexiko zu sehen und stellen in expressiver, sehr pathetischer Weise Szenen der Geschichte und soziale Probleme dar. Insbesondere das riesige Treppenbild "Mexiko im Laufe der Jahrhunderte" ist ein Meisterwerk von Rivera. Hier wird in mehreren Szenen die Geschichte des Landes und deren wichtigsten Figuren dargestellt - beginnend mit dem Gott Quetzalcoatl und endend mit den Helden der letzten Revolution. Auch die Figur von Karl Marx in der Zukunftsvision fehlt nicht im Werk des linksorientierten Künstlers. Insbesondere wird auch die mächtige Kirche für ihre Korruption, Ausnutzung der Armen und Sexaffären stark kritisiert, natürlich neben der korrupten Regierung. Und die heutigen Regierungsmitglieder gehen täglich an diesen Bildern vorbei.
Wir erfahren vor diesem Wandgemälde von unserem kompetenten Reiseleiter sehr viel über die Geschichte von Mexiko. Danach besichtigen wir noch die kleineren Einzelbilder entlang der Galerie. Dabei erfahren wir anhand eines Gemäldes, daß Kakao (Cacao) ursprünglich aus der Olmeken-Sprache stammt und später von den Mayas übernommen wurde (es gab eine entsprechende Glyphe), denn auch die Pflanze stammt von hier. Geschichte von Kakao Die Mayas haben das köstliche Getränk erfunden und nutzten, ähnlich wie Azteken, die Kakaobohnen auch als Zahlungsmittel. Schokolade bei den Maya
Anschließend haben wir etwas Freizeit. Die meisten gehen in den kleinen Park hinter dem Regierungspalast, in dem viele verschiedene Sträucher blühen. Nach dem Besuch des Palacio Nacional unternehmen wir noch einen Bummel auf dem gigantischen Zocalo, dem drittgrößten Platz der Welt, nach dem Roten Platz in Moskau und Tjananmen in Beijing. In der Mitte des Zocalo weht eine riesengroße Flagge Mexikos mit dem Staatswappen, wo ein auf einem Kaktus sitzender Adler eine Schlange im Schnabel hält. Laut einer Legende sollten sich Azteken nach Weissagung ihrer Götter genau dort niederlassen, wo sie eben eine solche Szene sehen. Und dies war der Fall auf einer kleinen Insel im sumpfigen Texcoco-See, wo heute Mexiko City liegt.
Auf den Straßen rund um den Zocalo sehen wir sehr viele grün-weiß lackierte VW-Käfer, die in Mexiko sehr gerne als Taxis eingesetzt werden (obwohl sie nur zweitürig sind; zum besseren Einsteigen ist aber immer der Beifahrersitz ausgebaut). Unser Bus wartet schon vor der Kathedrale. Wir fahren jetzt nur wenige Hundert Meter weiter, zum Palacio de Bellas Artes am Alameda-Park. Der Palast der Schönen Künste in einem herrlichen Jugendstilbau aus weißem Marmor beherbergt die Oper mit Ballett und das Theater. Leider können wir das Bauwerk nur von Außen besichtigen. Wir erfahren aber, daß sich hier der teuerste Bühnenvorhang befindet. Das vom Juwelier Tiffany gefertigte Glasmosaik mit der Darstellung der beiden "Haus"-Vulkane von Mexiko City besteht aus einer Million kleiner Glasteilchen und wiegt 22 Tonen. Fast gegenüber dem Kunstpalast steht das Torre Latinoamericana - das 1958 erbaute und mit 171 m ehemals höchste Gebäude Latainamerikas.
Wir haben jetzt wieder Freizeit und gehen fast alle zur östlich des Palacio gelegenen Hauptpost, um uns mit Briefmarken für Urlaubsgrüße zu versorgen. Das Postgebäude ist aber auch architektonisch sehr interessant - das Innere ist schön mit Marmorplatten gestaltet. Anschließend gehe ich zum Alameda Park, der auf der anderen Seite des Palacios beginnt. Neben mir wird gerade von der Polizei die Straße gesperrt, und eine kleine Demonstration zieht mit Transparenten und Protestrufen vorbei. Wie ich später erfahre, handelt es sich um Geschädigte einer dubiosen Kreditaktion im Zusammenhang mit Autokauf, die von der Regierung schärfere Gesetze verlangen. Teotihuacan - Blick vom Gipfel der Mondpyramide nach Süden auf die Sonnenpyramide
Vor dem Park spielt ein uniformierter Man auf einem Leierkasten, ähnlich wie schon bei den Ruinen des Templo Mayor. Erst später erfahre ich, daß alle diese Spieler einer Zunft angehören und deshalb auch einheitliche bräunliche Uniforme tragen. In dem nicht besonders großen Alameda Park, der als eine grüne Lunge im Zentrum liegt, befinden sich viele Standbilder und Springbrunnen. Am südlichen Rand des Parks komme ich zum aufwendigen Denkmal des ersten Präsidenten indianischer Abstammung, Benito Juarez. Die Hauptattraktion des Parks sind jedoch die berittenen Polizisten, die am Denkmal Wache halten und den Park patrouillieren. Sie tragen traditionelle Uniforme und große Sombreros, am Gürtel haben sie große Colts. In diesem Outfit sehen sie richtig westernmässig aus. Die Polizisten lassen sich auch gerne fotografieren und filmen, wovon ich fleißig Gebrauch mache. Und manch einer Tourist darf sogar zum gemeinsamen Foto mit den Polizisten deren Sombrero aufsetzen.
Um 11.15 Uhr treffen wir uns am Bus wieder. Für den Nachmittag ist eine Besichtigung der großen Ausgrabungsstätte Teotihuacan (50 km nordöstlich von Mexiko City) geplant. Wir verlassen also das Stadtzentrum und fahren durch die ärmeren Stadtviertel. Die Häuser sind alle grau, von draußen unverputzt und nicht gestrichen, im Rohbauzustand. Es entspricht der mexikanischen Mentalität: man wohnt ja drin - dort soll es schön sein, und wie es von außen aussieht, interessiert keinen. Würde man ein einzelnes Haus in solcher Wohngegend verputzen oder streichen, dann würde man nach außen verkünden, daß man überdurchschnittlich reich ist und dadurch nur Einbrüche provozieren. Aber wir sehen auf der Durchfahrt auch von hohen Mauern umschlossene und tlw. in der freien Landschaft erbaute Wohnviertel für reichere Leute. Sie bestehen meistens aus kleinen schachtelartigen, dicht aneinandergereihten Reihenhäusern. Alle im Einheitsstill errichtet, alle in gleicher Farbe gestrichen, ohne Vorgärten und fast ohne Grünflächen innerhalb der Mauer. Es sind eigentlich klassische Wohngettos für die Mittelschicht, ohne jegliche Individualität. Hier möchte ich auch nicht wohnen.
Nachdem wir endlich die Metropole verlassen haben, die sich noch hoch hinauf auf die Hügeln des Tals erstreckt, fahren wir durch eine weite und leicht hügelige Landschaft. Sie wird landwirtschaftlich genutzt bzw. liegt brach. Wir sehen hier sehr viele wild wachsende Agaven, Opuntien sowie eine andere, kleinere Kakteenart. Unser Fahrer verfährt sich unterdessen. Wir müssen ein waghalsiges Wendemanöver auf einer schmalen Straße machen, um wieder zurück Richtung Hauptstadt zu fahren, und um dort wieder auf die mautpflichtige Schnellstraße zu kommen. Bald können wir wieder die gleichen Landschaften draußen bewundern. Gegen 12.45 Uhr erreichen wir schließlich die ausgedehnte Pyramidenstätte.
Teotihuacan UNESCO-Weltkulturerbe wurde zwischen ca. 250 v. Chr. und 650 n. Chr. von einem bis heute unbekannten Volk errichtet und bewohnt. Dieser Stadtstaat erstreckte sich auf einer Fläche von ca. 120 qkm und hatte zu Blütezeiten ca. 150.000 Einwohner. Was heute sichtbar ist, macht nur ca. 5 Prozent der ursprünglichen Bebauung aus, trotzdem macht es einen überwältigenden Eindruck auf mich. Warum die Stadt von ihren Einwohnern verlassen wurde, ist bis heute nicht geklärt.
Wir betreten die ausgedehnte Ausgrabungsstätte durch das Tor 1 am Einkaufszentrum und Museum im Süden der Anlage. Nach Entrichtung der obligatorischen Videogebühr von 30,- Pesos (das Fotografieren ist dagegen kostenlos) nähern wir uns den ersten Ruinen. Zuerst überqueren wir die 40 m breite und nahezu 4 km lange Zeremonialstraße - Straße der Toten. Am nördlichen Ende der Straße sehen wir bereits die riesige Mondpyramide. Wir besichtigen aber zunächst die Ciudadela - einen Festplatz der Anlage mit ca. 400 m Seitenlänge. Im Osten, hinter dem Platz befindet sich die Ruinen des Palacio del Quetzalcoatl, errichtet auf einer kleinen Pyramide. Hier sind gerade Archäologen am Werk. Von einer Plattform aus sehen wir die interessanten Funde - aus dem Stein herausgemeißelte Köpfe der Götter Quetzalcoatl (Gefiederte Schlange) und des Regengottes Tlaloc. Eine Seite der Pyramide ist bereits fast vollständig restauriert. Später zeigt uns ein Einheimischer, wie man früher Naturfarben aus der Natur gewonnen hat - rot aus den Nesten der Opuntienläuse, die auf fast jedem Blatt dieser Kakteenart zu finden sind, und gelb aus dem Diestelstängel, der naß gemacht wird. Anschließend möchte er natürlich an uns mit diesen Farben signierte Postkartensets verkaufen. Teotihuacan - Westseite der Sonnenpyramide
Anschließend gehen wir zurück zum Bus und fahren zu einer der zahlreichen Restaurants an der archäologischen Zone, um eine Mittagspause zu machen. Als erste Begegnung mit dem mexikanischen Essen bestelle ich mit Tortillas mit Hühnerfleisch, einer Schwarzbohnenpaste und Salat. Ich muß am längsten von allen warten und als ich mein Menü bekomme, übersteigt die Anzahl und Größe der Tortillas meine kühnsten Erwartungen (3 riesige Fladen). Es schmeckt aber unverzüglich und ich schaffe tatsächlich, alles aufzuessen. Ein nettes Trio verschönert uns das Essen mit landestypischer Musik.
Nach etwa 45 Min. Pause starten wir zum zweiten Teil unserer Besichtigungen von Teotihuacan. Jetzt betreten wir das Gelände durch das Tor 3 in der Nähe der Mondpyramide, die den nördlichen Abschluß der Straße der Toten bildet. Auf dem Weg zur Pyramide besichtigen wir noch den Hof der Jaguare (Palacio del Puma), so genannt wegen seinen Wandmalereien, die u.a. zwei Jaguare darstellen. Danach können wir die 43 m hohe Mondpyramide mit einer Grundfläche von 120 x 150 m besteigen. Sie besteht aus einem dunklen Vulkangestein, ähnlich wie auch alle anderen Bauwerke und die Straße der Toten. Obwohl die Mondpyramide 20 m kleiner ist als die östlich der Zeremonienstraße gelegene Sonnenpyramide, scheint sie das ganze Gelände zu dominieren. Nach oben führen 112 zum Teil steile Stufen. Von oben eröffnet sie ein phantastischer Ausblick auf die Sonnenpyramide und die schnurgerade Straße der Toten mit an sie gelegenen kleineren Tempeln und Palästen sowie auf die gesamte Umgebung. Ich genieße so richtig das Panorama und das schöne Wetter, das eine weite Sicht ermöglicht. Aber bald schon ist es an der Zeit runterzugehen. In der Gegend gibt es größere Obsidianvorkommen, die schon von den damaligen Einwohnern benutzt wurden, und so bieten hier viele fliegende Händler verschiedene Souvenirs aus Obsidian an. Auch ich erstehe zwei kleine, silbern schimmernde Obsidianfiguren. Figuren aus Obsidian
Auf dem Weg zur Sonnenpyramide schauen wir uns noch einige kleinere Paläste an der Camino de los muertos (Straße der Toten) an. Zum Abschluß der Besichtigung haben wir noch Zeit genug die mit 63 m ( 225 x 225 m Grundfläche) größte Pyramide des Geländes zu besteigern. Ich erspare mir jedoch den Aufstieg über die 365 Treppen hinauf. Die Aussicht von dort ist angeblich nicht so spektakulär - so unser Reiseleiter. Stattdessen spaziere ich durch die benachbarten Felder mit zahlreichen großen Opuntienbäumen und mache noch einige Photos.
Gegen 16.40 Uhr versammeln wir uns wieder an unserem Reisebus und fahren in die Hauptstadt zurück. Unterwegs präsentieren sich links vor unseren Augen die beiden berühmten Hausvulkane von Mexiko City - Popocatepetl und Iztaccihuatl (liegende Frau), beide mit einer leichten Schneedecke bedeckt. Selten nur ist die Sicht so gut wie heute und man kann die Vulkane so schön beobachten.
In der Hauptstadt angekommen, steuern wir die letzte Sehenswürdigkeit an, die auf unserem heutigen Programm steht - die berühmte Basilica de Guadalupe nordwestlich des Zentrums. Gegen 17.20 Uhr erreichen wir den wohl heiligsten Ort Amerikas. Die Legende besagt, daß hier am 9. Dezember 1531 einem Indianerjungen Diego Garcia die Jungfrau Maria erschienen ist. Die dunkelhäutige Madonna hat ihn in der Sprache der Azteken aufgefordert, zum Bischof zu gehen und ihm zu sagen, er solle für die Jungfrau ein Heiligtum errichten. Der Bischof schenkte aber dem Jungen erst den Glauben, als ein paar Tage später die Jungfrau Maria auf einem benachbarten Hügel Rosen erblühen ließ und Diego Garcia diese zum Bischof brachte. Zudem ist auf dem Umhang des jungen Indianers auf wundersame Weise das Bildnis der Jungfrau erschienen. Mexiko City - die alte Basilica de Guadalupe (links), die Kapuziner-Kapelle (rechts), hinten - Tepeyac-Kapelle (älteste Kapelle)
Wir betreten einen riesigen Platz, an dem mehrere Gebäude stehen, die im Laufe der Zeit errichtet wurden. Karte und Bilder der Basilika von Guadelupe Vor allem dominiert hier die alte, 1531 begonnene Basilika, die, ähnlich wie andere ältere Gebäude, in den morastigen Grund versinkt und einsturzgefährdet ist. Bei der Besichtigung der Kirche sehen wir, wie schief die ursprünglichen Säulen stehen und durch eine dicke Ummantelung aus Beton stabilisiert werden. Neben der alten Basilika steht eine ebenso schöne Kapuzinerkirche, sowie eine kleine Indianerkapelle, und hinten, auf dem Hügel, die kleine Tepeyac-Kapelle (die erste Kapelle an diesem Ort). Alle diese Bauwerke glänzen schön in den letzten Strahlen der langsam untergehenden Sonne. Im Osten des Platzes steht ein interessanter moderner Glockenturm mit mehreren Uhren und Kalendern aus verschiedenen Epochen und Kulturen (u.a. eine moderne Uhr, Sonnenuhr, Mondkalender der Azteken, Sternzeichenkalender u.a.). Hinter dem Glockenturm kann man in der Ferne sehr gut die beiden Vulkane vor der Hauptstadt erkennen, die bei der heute selten klarer Sicht und gerade jetzt beim Sonnenuntergang sich majestätisch am Horizont präsentieren.
Auf dem Platz selbst herrscht noch reger Verkehr. Einige Pilgergruppen sind da und manche Pilger nähern sich auf den Knien der gewaltigen modernen Basilika (dies ist heutzutage nur noch auf dem Vorplatz erlaubt; frührer pilgerten viele kilometerweit nur auf den Knien, was häufig zu schweren Verletzungen führte und daher verboten wurde), die von der westlichen Seite den Platz abschließt. Dieses moderne, runde Bau wurde 1976 nach einer Bauzeit von nur 16 Monaten von dem mexikanischen Stararchitekten Pedro Ramirez Vazquez errichtet. In dieser sehr sehenswerten Kirche finden rd. 12000 Gläubige Platz. Am Jahrestag der Wunder, dem 12. Dezember pilgern hierher jährlich bis zu 5 Mio. Gläubige aus der ganzen Welt.
Auch wir betreten die Kirche. Die Sitzbänke sind hier wie in einem Amphitheater kreisbogenförmig und absteigend um den Altar angeordnet. Die Decke aus einem wertvollen kanadischen Holz steigt trichterförmig nach oben. Nach einem kleinen Rundgang mit ausführlichen Erklärungen unseres Reiseleiters steigen wir in einen kleinen Raum unterhalb des Altars. Hier befindet sich das größte Heiligtum - das Bildnis der Jungfrau Maria, das 1531 auf dem Umhang des jungen Diego Garcia erschienen ist. mit diesem Bildnis sind viele bis heute wissenschaftlich nicht erklärbare Besonderheiten verbunden. Z.B. die Tatsache, daß der Umhang bis heute unversehrt und die Farben frisch bleiben, obwohl er aus organischen Stoffen - Kaktusfasern - hergestellt ist und nicht irgendwie konserviert wurde. Obwohl es ein Gemälde ist, können bis heute kein Malmaterial und keine Pinselstriche identifiziert werden - das Abbild erscheint auf dem Umhang wie eine Photographie. Erst vor kurzem wurde mit modernster Computerbildanalyse entdeckt, daß sich in den beiden Augen der Jungfrau die damalige Szene der Bildentstehung im Jahr 1531 vor dem Bischof spiegelt, und zwar mit Verzerrungen in Abhängigkeit von den Gesetzen der Krümmung der Hornhaut, und im zweiten Auge um genau den Faktor verschoben, wie es sich in einem lebendigen Auge zeigen würde. Die Tilma von Guadelupe - Vorgeschichte und Rätsel Geschichte der Erscheinung von Guadalupe, Gemälde, Forschungsergebnisse
Das Bild der Schutzpatronin von Mexiko auf der Tilma ist in dem kleinen Raum hoch an der Wand hinterm Panzerglas aufgehängt. Davor befinden sich vier Laufbänder, die in beide Richtungen fahren (ein hin, drei zurück). Man kann also das Bild nur kurze Zeit betrachten und fotografieren, während man auf dem Laufband vorbeifährt. Eine interessante, moderne Lösung, um die Bildung von Staus vor dem Bildnis zu verhindern.
Wir verbleiben hier in Guadelupe bis zur Dämmerung, und um 18.20 Uhr machen wir uns auf den Weg zurück ins Zentrum. An unserem Hotel kommen wír gegen 19.00 Uhr an. Nach einer kurzen Erfrischung im Hotel mache ich um 19.30 Uhr noch einen Spaziergang zum Unabhängigkeitsdenkmal am Ende unserer Straße. Jetzt ist der "El Angel" auf der Spitze der Säule schön beleuchtet. Anschließend bummele ich noch durch die große, lebhafte Fußgängerzone in der Zona Rosa mit vielen Restaurants und Geschäften.


3. Tag: Di, 18.11.2003
- Mexiko City - Xochimilco - Tlaxcala -

Um 7.00 Uhr klingelt der Wecker. Nach einem ausgiebigen Frühstück verlassen wir gegen 8.30 Uhr unser Hauptstadthotel. Zunächst fahren wir nur wenige Hundert Meter - bis zum Unabhängigkeitsdenkmal (Monumento a la Independencia) auf einem großen Rondell mitten in der Prachtboulevard Paseo de la Reforma. Bereits gestern abends habe ich das Denkmal gesehen, heute erscheint es aber beim schönsten Wetter und strahlend blauem Himmel in seiner vollen Pracht. Es dauert ein wenig bis wir in dem ununterbrochen fließenden Autoverkehr eine Lücke finden, um zu dem Rondel zu gelangen. Das monumentale Denkmal zeigt Persönlichkeiten aus dem Unabhängigkeitskampf in pathetischen Posen. Oben krönt die goldene Siegesgöttin "El Angel". Von hier aus kann man auf die Prachtstraßen blicken, die von modernen Hochhäusern gesäumt werden. Das Denkmal selbst versinkt seit Jahrzehnten in den weichen Grund.
Wir nutzen jetzt noch die freie Zeit, um in der benachbarten Wechselstube Geld umzutauschen. Um 9.00 Uhr geht es mit dem Bus weiter zum berühmten Anthropologischen Museum, das sich in einem riesigen Park Bosque de Chapultepec befindet und direkt über die Paseo de la Reforma erreichbar ist. Homepage Anthropologisches Museum Vor dem Museum müssen wir und am Ende einer langen Warteschlange anstellen und es dauert eine Weile, bis wir den bewachten Eingang erreichen. Hier muß ich und die anderen Videofreunde in unserer Gruppe zunächst noch die Videogebühr bezahlen (30,-), dann betreten wir den Innenhof des modernen Museums, das von dem gleichen Architekten gebaut wurde, wie die Basilika von Guadelupe. Um den gewaltigen, rechteckigen Innenhof mit einem schönen Teich in der Mitte gruppieren sich die zweistöckigen Ausstellungshallen. Anthropologisches Museum - Säle Die Säle im Erdgeschoss widmen sich den archäologischen Funden der verschiedenen untergegangenen Kulturen, im Obergeschoss werden dagegen ethnologische Sammlungen der heute noch lebenden indianischen Kulturen. Mexiko City - Blick vom Monumento a la Reforma auf die Bebaung an der Avenida Paseo de la Reforma
Für die vollständige Besichtigung dieses weltweit bedeutenden Museums bräuchte man mehrere Tage. Da wir aber nur einen halben Tag zur Verfügung haben, konzentrieren wir uns auf die wichtigsten mexikanischen Kulturen im archäologischen Teil. Unser Reiseleiter macht mit uns eine Führung und gibt uns sehr ausführliche und kompetente Erklärungen zu den wichtigsten Exponaten. Die ersten Säle besichtigen wir nur im Schnelldurchlauf. Sie sind u.a. der Einführung in die Menschengeschichte und der Besiedlung des amerikanischen Kontinents gewidmet. Anhand von Schautafeln wird veranschaulicht, wie sich die Urmenschen von Ostafrika über den Nahen Osten, Asien (Sibirien), Alaska und Nordamerika bis hin zur Südamerika verbreitet haben. Deshalb haben auch die Indianer Nord- und Südamerikas ähnliche Schlitzaugen, wie die Asiaten. Interessant ist auch eine große Photowand mit holographischen Darstellungen der Köpfe verschiedener menschlicher Rassen. Je nach Lichteinfallswinkel sieht man entweder das Gesicht oder den dazugehörigen Schädel.
Die Säle 3 und 4 unterrichten über die Ureinwohner Mexikos (Nomaden, Viehzüchter) und über die präklassischen Kulturen. Interessant sind die vielen Tonfiguren (manchmal auch skurile menschliche Figuren z.B. mit 2 Köpfen oder von Mißgeburten) und verschiedene Grabbeilagen. Nachbildungen von Hütten zeigen die Lebensverhältnisse der damaligen Einwohner. Auch über die Bestattung unmittelbar unter den Hütten und über die Verbrennung der Toten auf Scheiterhäufen wird berichtet (wird von den Indios in manchen Regionen noch bis heute heimlich praktiziert, wie unser Reiseleiter Markus erzählt, der mal Zeuge einer solchen Zeremonie war. Bei der Verbrennung und Verdampfung der Körperflüssigkeiten richtet sich der Tote auf, und schwere Steine, die die Beine festhalten, führen dazu, daß er sich hinsetzt. Nach indianischem Glauben nur dann kann der Tote in die Unterwelt gehen). Interessant ist auch zu erfahren, daß als Status- und Machtsymbol die Köpfe der Herrscherkinder künstlich verformt wurden. Je nach Kultur und Methode hat dies zwischen 1 Woche und ca. 15 Jahren gedauert. Die charakteristischen Olmekenöpfe (als Olmeken werden alle frühen, präklassischen Kulturen bezeichnet), die wie aufgesetzte Helme aussehen, sind z.B. Köpfe von Herrscherkindern, denen man zur Verformung Hülsen einer speziellen Frucht aufgesetzt hat. Bei Tolteken sind die Köpfe flach und breit, bei Maya-Herrschern den Maiskolben (Symbol des Lebens) nachempfunden - lang nach hinten gezogen.
Der Saal 5 widmet sich Teotihuacan. Besonders sehenswert ist hier die Nachbildung des Quetzalcoatl-Tempels mit seinen Schlangenköpfen in Originalgröße und in den ursprünglichen Farben. Im nächsten Saal folgt die Kultur der Tolteken. Bekannt sind bei dieser Kultur insbesondere die Atlanten - die Kolossaltempelstatuen aus Tula, Hauptstadt der Tolteken. Eine solche Statue ist auch hier zu sehen. Draußen vor dem Saal befinden sich Fragmente verschiedener Ballspielplätze mit ihren charakteristischen Ringen.
Nach einer kurzen Pause betreten wir dann den größten und wichtigsten Saal, der der Kultur der Mexikos (so nannten sich die Azteken selbst) gewidmet ist. Hier befindet sich auch das wichtigste Exponat des Museums - der berühmte aztekische Stein der Fünften Sonne mit einem Indygena-Kalender. Dieser Kalenderstein aus Basalt stammt wohl aus dem Jahr 1479, wiegt ca. 24 Tonnen und hat einen Durchmesser von 4 Meter. Interessant unter der Fülle der Exponate in diesem Saal ist auch ein großes Modell der Aztekenhauptstadt Tenochtitlan, die Nachbildung des Kopfschmucks von Moctezuma mit langen Quetzalfedern oder eine große Statue des Gottes Quetzalcoatl (Gefiederte Schlange).
Hier endet unsere Führung. Jetzt haben wir noch etwas Freizeit, um sich noch in den anderen Sälen selbst umzuschauen. Ich besuche zunächst den Saal Oaxaca, der die Kulturen der Zapoteken und Mixteken aus Monte Alban und Mitla umfaßt. Dann gehe ich zu dem sehr interessanten Saal der Maya. Die Modelle der verschiedenen Maya-Zentren verschaffen einen guten Überblick über deren Kultur und Architektur. Bald ist die Zeit zu Ende und wir treffen uns wieder vor dem Museumseingang.
Insgesamt war der Museumsbesuch hochinteressant, schade nur daß man das meiste Gesehene und Gehörte so schnell wieder vergißt, obwohl unser Reiseleiter sehr lebhaft und anschaulich uns viele Informationen zu den einzelnen Kulturen, sowie deren Religionen und Göttern (wie z.B. die Bedeutung der einzelnen Symbole und Elemente der Reliefe, Statuen etc) vermittelt hat. Eine interessante Information, die wir bei einer Säule mit Maya-Glyphen (bildliche Schriftzeichen) gehört haben, behalte ich aber doch noch: die alte Glyphenschrift der Mayas kann man heute zwar lesen, schreiben, und auch die einzelnen Worte, nicht aber die Bedeutung der ganzen Sätze verstehen. Mexiko City - Anthropologisches Museum, eine Atlanta aus Tula Es gibt einfach sehr viele mögliche Deutungen mit vielen Metaphern, die man heute aber ohne weiteres nicht verstehen kann. Vergleichbar ist das mit einem Grundschulkind, das ein Shakespeare-Werk zwar wörtlich lesen kann, ohne aber die inhaltliche Ebene zu begreifen. Markus erzählt uns auch, daß der junge 39jährige deutsche Prof. Nikolai Grube (Professor an der University of Austin und an der Uni Bonn) zu den bedeutendsten Forschern der Maya-Schrift zählt und als einziger auf der Welt alle 26 Maya-Sprachen lesen und schreiben kann (neben einem Dutzend europäischer und einiger weiteren Indio-Sprachen).
Unweit des Museumseingangs findet gerade ein traditionelles Fruchtbarkeitszeremoniell statt, das hier mehrmals täglich aufgeführt wird. Vier in Festtracht gekleidete Indianer hängen kopfüber auf Seilen, die auf einer ca. 30 m hohen Stange befestigt sind, und kreisen um die Stange während sie auf Flöten spielen. Die Seile sind um die Körper der Voladores so gewickelt, daß sie mit jeder Umdrehung dem Erdboden näher kommen und die Kreise immer größer werden. Nach 13 Umdrehungen gelangen sie schließlich zum Boden. Die 13 Umdrehungen der 4 Voladores symbolisieren den präkolumbianischen Kalenderzyklus von 52 Jahren.
Kurz nach 13.00 Uhr sitzen wir wieder im Bus und fahren jetzt nach Xochimilco im äußersten Südosten der Hauptstadt (ca. 25 km vom Zentrum entfernt). Auf dem Weg dahin fahren wir durch verschiedene Stadtteile der ca. 9 Mio. Einwohner zählenden Stadt (die häufigen Reiseführerangaben von 25 Mio. Einwohner beziehen sich auf den gesamten Bundesstaat und nicht auf die Stadt selbst, die in einem Talkessel gelegen ist und keine Vororte besitzt). Unterwegs fahren wir direkt an dem berühmten Olympiastadion von 1968 vorbei. Später sehen wir auch den zweitgrößten Fußballstadion der Welt, in den ca. 123.000 Zuschauer passen. Auf dem Weg nach Xochimilco überqueren wir auch das weitläufige Gelände der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko-Stadt, an der ca. 300.000 Studenten studieren. Die Autonomie reicht so weit, daß an den Grenzen des Universitätsviertels die Zuständigkeit der Verkehrspolizei der Hauptstadt endet. Viele Verkehrssünder flüchten deshalb vor der Polizei auf das Unigelände. Vom Bus aus sehen wir das berühmte zehnstöckige Gebäude der Unibibliothek, das von allen vier Seiten von einem gewaltigen Naturstein-Mosaik von Juan O'Gorman mit der Darstellung der Geschichte von Wissenschaften umgeben ist. Auch weitere Unigebäude aus den 50er und 60er Jahren verkörpern architektonische Avantgarde.
Auf der ca. einstündigen Durchfahrt durch Mexiko City erfahren wir von Markus sehr viel über die aktuellen Probleme der Stadt. Das sind u.a. die Umweltprobleme, die durch die Kessellage (kaum Frischluftzufuhr, in der einzigen Luftzugangsschneise Industrie angesiedelt, tagelanger Smog), aber auch durch die Unmengen an Müll, die z.T. illegal verbrannt werden und die Luft zusätzlich verpesten, bedingt sind. Das sind aber auch zahlreiche Probleme mit der Kriminalität: mehrmals täglich Raubüberfälle auf die Busse (die Busfahrer sind häufig eingeweiht und kassieren abends ihren Anteil ab)und auf die Autos (statistisch werden pro Tag ca. 52 PKW's und ca. 20 LKW's mit voller Ladung geklaut - Stand 2000; aber nur 2 Morde pro Tag - relativ wenig), hochkriminelle Stadtteile direkt in der Zentrumnähe (z.B. drei Baublocks hinter dem Zocalo) mit Diebesgutmärkten, wo man alles nur denkbare kaufen kann und wo sich die Polizei nur mit Panzerwagen traut, Drogenhandel und korrupte Polizisten, die man möglichst meiden sollte. Vor der Ortspolizei habe man in Mexiko kein Respekt, denn dies ist das schlechteste Job in Mexiko, das man kriegen kann, bevor man gänzlich auf der Straße landet. Es seien also Leute, die keine Ausbildung und keine anderen Qualifikationen erwerben konnten. Wir fahren mit dem Bus gerade auch an einem Viertel, wo man geklaute Autos und Autoersatzteile ganz offen auf den Straßen zum Kauf anbietet. Wenn man dort mit dem eigenen Wagen hinfährt, um sich irgendwelche Ersatzteile zu besorgen, muß man aufpassen, daß nicht gleichzeitig etwas an dem Auto schnell abmontiert wird, während man das eigene Geschäft abwickelt. Wir hören auch über die eigenen Erfahrungen unseres Reiseleiters z.B. mit Überfällen, die er hier erlebt hat, und erfahren verschiedene praktische Verhaltenstipps (abends kein Schmuck tragen, Rücksäcke vorne halten, Frauen keine Miniröcke, auf die falschen, nicht registrierten Taxis aufpassen, beim Fahrt mit öffentl. Verkehrsmitteln für den Fall eines Überfalls mehrere Geldbörsen mit kleinen Geldbeiträgen dabei haben, nachts mit dem Auto nicht an roten Ampeln anhalten, etc).
Zwischenzeitlich ereichten wir schon Xochimilco, das für seine schwimmenden Gärten berühmt ist. Es ist ein Blumen- und Gartenviertel, in dem viele Blumen gezüchtet und verkauft werden. An den Straßen sehen wir zahlreiche kleine Geschäfte, wo nur Rollrasen verkauft wird. Die Rassenteppiche stapeln sich überall auf den Bürgersteigen und auf dem Straßenrand. Kurze Zeit später passieren wir einen riesengroßen Blumenmarkt und gegen 14.15 Uhr kommen wir an der Anlegestelle der bunt geschmückten Kähne, mit denen die Hauptstädter und Besucher Ausflüge durch die Wasserkanäle unternehmen. Besonders am Wochenenden ist dies ein beliebtes Ausflugsziel der Mexikaner. Mexiko City - bunte Boote in Xochimilco
Zu Zeiten der Azteken war hier ein See. Um ihre Hauptstadt Tenochtitlan zu ernähern bauten sie auf großen Flößen aus Schilfrohrkörben Obst und Gemüse an. So entstanden die sog. schwimmenden Gärten, die nach fortschreitender Verlandung heute fest mit dem Untergrund verbunden und von Kanälen durchzogen sind.
Auch wir unternehmen gleich einen solchen Ausflug durch die schwimmenden Gärten mit zwei großen und kitschig bunten Booten. Das Wetter hat sich leider verschlechtert. Der Himmel ist verschleiert und nur ab und zu kommt die Sonne durch. Wir schippern langsam durch die flachen Kanäle, angetrieben von einem Fließer durch kräftige Schube mit einem langen Stab. An den Ufern sieht man zahlreiche Obst- und Gemüsegärten, aber auch Gewächshäuser, wo Blumen gezüchtet werden. Obwohl heute kein Wochenendtag ist, sind wir auf dem Wasser nicht alleine. Außer anderen Ausflugsgruppen gibt es auch Flöße mit Verkäufern, die ihre Ware (Souvenirs, Obst, Blumen) an die Touristen anbieten. Vor allem sind es aber Mariachi-Kapellen (angeblich die schlechtesten in der Stadt), die gegen Bezahlung die Touristenkähne mit ihrem Repertoire begleiten.
Die Kähne sind mit Tischen ausgestattet, und wir bekommen während der Kanalfahrt das Mittagessen serviert, das wir vorher bestellt haben. Es besteht aus gekochten Hähnchenkeulen und Reis mit der berühmten braunen Mole-Soße, sowie weiteren Zutaten - Käse, Gemüse und ein Opuntiensalat. Es schmeckt mir aber nur mäßig. Besonders der Opuntiensalat ist wegen seines strengen Geschmacks sehr gewöhnungsbedürftig. Gegen 15.20 Uhr ist die Bootsfahrt zu Ende. Bevor es mit dem Bus weitergeht, suche ich noch ein nahegelegenes WC auf. Es ist wohl die einzige Toilette, wo man eine große, handunterschriebene WC-Quittung bekommt.
Jetzt verlassen wir endgültig Mexiko City und nehmen Kurs auf Tlaxcala in dem gleichnamigen kleinen Bundesstaat östlich der Hauptstadt (ca. 100 km entfernt). Auf dem Weg dahin überquerten wir die südlichen Stadtviertel von Mexiko City, dann den Districto Federal. Rechts sehen wir die beiden Vulkane, die aber heute wegen einiger tief hängenden Wolken und Dunst in der Luft nur schemenhaft zu sehen sind. Später geht es zunächst hinauf zu einem 3152 m hohen Paß (das Zentrum der Hauptstadt liegt auf der Höhe von ca. 2300 m), und dann herunter nach Tlaxcala, die etwa so hoch gelegen ist, wie Mexiko City. Wir fahren über eine gute, dreispurige Autobahn zunächst durch eine hügelige Landschaft mit vereinzelt wachsenden Bäumen. Dann folgen lichte Wälder, vor allen mit Kiefern bestanden, die zu einem Nationalpark gehören. Nach der Paßdurchquerung machen wir gegen 17.15 Uhr eine 10minütige Pause an einer Tankstelle. Auch von hier aus sieht man im Westen die beiden Vulkane Popocatepetl und Iztaccihuatl, deren Spitzen aber in Wolken versteckt sind. Unten im Tal ist die Landschaft wieder landwirtschaftlich geprägt. viele Felder sind hier schon abgeerntet. Später sehen wir am Horizont vor uns noch einen dritten Vulkan - den La Malinche. Bereits kurz nach 17.30 Uhr geht die Sonne langsam unter. Etwa eine halbe Stunde später erreichen wir in der Dämmerung die kleine Stadt Tlaxcala (ca. 73.000 Einw.).
Hier angekommen, gehen wir zuerst auf einen kleinen Hügel am Rande des Ortszentrums, auf dem einige Ruinen sowie ein Turm und eine Kirche zu sehen sind. Diese Kirche des ehemaligen Convento de San Francisco wurde bereits in Cortes Zeiten (etwa ab 1537) erbaut und ist somit wohl die älteste Kirche des amerikanischen Kontinents. Heute befindet sich hier die Kathedrale Nuestra Senora de la Asuncion. Während der Besichtigung der kleinen Kathedrale sehen wir die Originaldecke aus Holz (Mudejar-Still), die wie ein umgekehrter Schiffsrumpf aussieht. Sie wurde nämlich von den Zimmermännern gebaut, die mit Cortes kamen und Erfahrungen nur mit dem Schiffsbau hatten. In der Kirche ist auch die erste Kanzel und das erste Taufbecken der Neuen Welt zu sehen. Vor der Kirche sehen wir die Ruinen der Capilla Abierta, in der die vier Häuptlinge des Indianerstammes der Tlaxcalteken getauft wurden, nachdem sie ein Bündnis mit Cortes eingegangen sind. Als Cortes 1519 diese Gegend auf der Suche nach den angeblichen Reichtümern der Azteken erreichte, waren die Tlaxcalteken mit Azteken seit Jahren verfeindet und im Kriegszustand. Tlaxcala - Blick auf die Stadt von der Kathedrale aus, vorne die Stierkampfarena (spätabends) Deswegen haben sie auch Cortes in seinem Kampf gegen die Azteken unterstützt. Aus diesem Gründe auch bezeichnen sich die Tlaxcalteken selbst gerne als Gründer der Nation, während sie von den übrigen Mexikanern häufig als Verräter der Nation bezeichnet werden.
Von dem Vorplatz der Kathedrale bietet sich ein schöner Ausblick auf eine große, schöne Stierkampfarena aus dem 19. Jh. direkt unterhalb des Hügels und auf die Bebauung der Stadt im Hintergrund. Nach der Besichtigung gehen wir jetzt herunter nach Norden, Richtung Zocalo. Mittlerweile ist es schon ganz dunkel geworden. Unterwegs halten noch kurz auf einem kleinen Platz unmittelbar südlich des Zocalo an. Hier steht ein Denkmal des Oberbefehlshabers der Tlaxcalteken, Principe Xicotencatl. Er wollte damals kein Bündnis mit Cortes eingehen, mußte aber sich dem Rat der Älteren fügen. Ein paar Schritte weiter erreichen wir den Zocalo. Wir gehen jedoch noch nicht ins Hotel, das direkt an dem Platz gelegen ist, sondern zum bereits 1545 erbauten Gouverneurspalast auf der gegenüberliegenden Seite des Zocalo. Hier wohnte früher auch der Vizekönig von Spanien. Das heutige Gebäude ist aber nicht mehr das Originalgebäude, denn es wurde bereits 3 mal durch Erdbeben und 2 mal durch Brand zerstört.
Wir betreten den Innenhof dieses kleinen Gebäudes und vor unseren Augen tauchen wunderschöne Wandmalereien auf. Auf ca. 450 qm Wandfläche ist hier in aneinandergereihten Einzelbildern die Geschichte der Region und des Stammes der Tlaxcalteken dargestellt, angefangen mit ihrer Einwanderung von Norden, mit ihren Kriegen, Kämpfen, Bündnissen, Festen, Glauben und Göttern. Anhand der Bilder und ausführlichen Erläuterungen unseres Reiseleiters erfahren wir mehr über diesen Indianerstamm. Vor dem Bündnis mit Spaniern wurden die Tlaxcalteken mehrmals von den Azteken überfallen und von den Gebieten mit sehr guten Böden verdrängt. Den entscheidenden Krieg haben sie verloren und mußten wegen einem Embargo ca. 60 Jahre lang ohne Stoffe und ohne Salz auskommen. Stattdessen suchten sie nach Ersatzgewürzen und Ersatzstoffen, die sie u.a. aus Agaven gewonnen haben. Aus dieser Zeit resultiert auch die heutige Küche der Region, die weitgehend ohne Salz auskommt.
Auch der Anbau und die Verarbeitung von Mais sowie von Agaven wird in zwei Bildfolgen dargestellt. Die mexikanische Küche hat dem Maisanbau durch die Tlaxcalteken auch etwas besonderes zu verdanken. In Tlaxcala wurden nämlich die bekannten Tortillas erfunden - das aus Mais erzeugte Fladenbrot der Mexikaner. Ein paar Schritte weiter ist ein weiteres wunderschönes Wandgemälde zu sehen. Hier ist ein früherer Markt der Tlaxcala-Indianer sehr detailreich dargestellt. Im Treppenaufgang und im 1. Obergeschoss des Palastes zeigen die Wandmalereien die jüngere Geschichte Mexikos und der Region. Alle diese brillant farbigen Wandbilder wurden in 40 Jahren Arbeit durch nur einen einzigen Künstler indianischer Abstammung gemalt (im Gegensatz zu den Murales im Präsidentenpalast von Mexiko City, die von den Mitarbeitern des Künstlers vorgezeichnet wurden), den heute noch lebenden Desiderio Hernandez Xochitiotzin. Mit seinem Werk hat er in den 60er Jahren angefangen und erst seit wenigen Jahren sind die Murales fertig.
Gegen 19.00 Uhr, nach der Besichtigung der Wandmalereien gehen wir zu Fuß zurück ins Hotel. Unser Hotel, Posada San Francisco an der Südseite des Zocalo, ist ein sehr schönes Hotel, das in einem ehemaligen, historischen Klostergebäude errichtet wurde. Es ist sehr weitläufig, mit vielen Innenhöfen, eingeschossigen Gebäuden und tollen Gängen. Nachdem ich mein Zimmer bezogen und mich etwas erholt habe, unternehme ich noch einen halbstündigen Spaziergang rund um den Zocalo. Er ist von malerischen, ein- bis zweigeschossigen alten Häusern umgeben, häufig mit Arkaden, und in schönen Pastellfarben gestrichen. Ich besuche auch die kleine Kirche Parroquia de San Jose aus dem 16.-17. Jh. auf der Plaza de la Constitution, die sich in der nordwestlichen Ecke an den Zocalo anschließt. Insbesondere ein Seitenaltar auf der linken Seite der Kirche ist sehr sehenswert.


4. Tag: Mi, 19.11.2003
- Tlaxcala - Cacaxtla - Puebla - Oaxaca -

Bereits um 6.30 Uhr werden wir geweckt. Nach dem Frühstück habe ich noch etwas Zeit bis zur Abreise und besuche mit der Fotokamera nochmals den Zocalo, die malerische Kirche Parroquia de San Jose sowie den auf einem Hügel gelegene Platz vor der Kathedrale. Es kündigt sich heute wieder ein schönes Wetter an, jetzt ist es aber noch bitter kalt (ca. 10 Grad?). Beim wolkenlosen Himmel mache ich noch einige Bilder, bevor ich zurück ins Hotel gehe. Um 8.15 Uhr fahren wir zur archäologischen Zone von Cacaxtla ab, ca. 25 km südwestlich von Tlaxcala. Tlaxcala - Parroquia de San Jose (XVII-XVIII Jh)
Unterwegs genießen wir wieder einen schönen Ausblick auf die Vulkane. Kurz vor 9.00 Uhr kommen wir an einem Parkplatz vor der archäologischen Zone an. Von hier aus geht es weiter zu Fuß. Der ca. 1 km lange Weg zu den Ausgrabungen führt uns über eine asphaltierte Straße durch eine offene, sonnenverbrannte Landschaft, die auf der linken Seite, im Südwesten, langsam ins Tal absteigt. Auf der anderen Talseite sieht man wie auf einem Präsentierteller die Vulkane Popocatepetl ("Qualmender Berg", 5452 m) und Iztaccihuatl ("Schlafende Frau", 5286 m). Durch die kalte, frische Luft heute morgen ist die Sicht glasklar, wie sonst selten. Man kann mit bloßem Auge gut beobachten, wie aus dem Krater des Vulkans Popocatepetl ab und zu kleine Rauchwolken steigen. Heute raucht er nur, aber 2-3 mal jährlich gibt es auch größere Eruptionen (in den letzen Jahren immer im Dezember). Markus erzählt uns von einem großen Ausbruch, den er in Cacaxtla mit einer Reisegruppe vor einigen Jahren erlebt hat. Man konnte hier noch hören und spüren, wie die Erde gebebt hat. Später im Bus zeigt er uns auch einen Videofilm, den ein Mitreisender damals gedreht hat. Das ganze Landschaftsbild mit vereinzelt stehenden großen Opuntien, ausgetrockneten Gräsern, vereinzelt verstreuten Bäumen und Gebüschen, kleinen Siedlungen im Tal und den gewaltigen Vulkanen auf der gegenüberliegenden Seite ist bei dem schönen Wetter einmalig. Ich genieße es sowohl auf dem Hin- als auch Rückweg zur Ausgrabungszone und mache auch zahlreiche Fotos dieses grandiosen Panorama. Später ziehen einige Schleierwolken auf, die aber die Sicht nicht behindern.
Nach dem schönen Spaziergang erreichen wir die auf einem Hügel etwas höher gelegene (ca. 2200-2300 m) und überdachte archäologische Zone von Cacaxtla. Die Dachkonstruktion, die das ganze Gelände überdeckt, ist wohl die zweitgrößte weltweit über einem Ausgrabungsgelände, nach dem Dach über der Armee der Terrakottasoldaten in Xian, China. Die Ausgrabungen von Cacaxtla sehen nicht besonders spektakulär aus, sind aber historisch sehr bedeutsam.
Es handelt sich um Ruinen eines großen Herrscherpalastes aus dem 8.-9. Jh., der der Kultur von Olmeken-Xicalangas zugerechnet wird. Die Hochblüte von Cacaxtla wird auf die Zeit zwischen 650 und 900 datiert, als sie das Machtvakuum nach Teotihuacans Untergang ausfüllte. Die Ruinen wurden erst 1975 entdeckt und als eine große archäologische Sensation gefeiert. Die eigentliche Besonderheit der Ausgrabungen sind die hier gefundenen, hervorragend erhaltenen Freskenmalereien auf den Wänden des Palastes. Das bedeutendste und schönste Wandgemälde, "Große Schlacht" (Mural de la Batalla), befindet sich im mittleren Teil des Palastgeländes. Um das wertvolle Kunstwerk vor den schädlichen Lichteinflüssen zu schützen ist es zugedeckt, wird aber für die Besucher zum betrachten geöffnet. Es ist eine wunderschöne Darstellung aus zwei langen Freskenbildern in kräftigen blau-roten Farben. Darauf sind detaillierte, blutige Kampfszenen zwischen zwei Stämmen zu sehen, den Adlermenschen (mit Federkleidern bekleidet) und den Jaguarmenschen (mit Jaguarfellen bekleidet).
Beim Rundgang durch den Palast sehen wir auch einige andere schöne Wandmalereien. Bisher noch nicht ganz geklärt ist, warum alle Malereien hier dem Maya-Still entsprechen. Vom Ruinengelände aus sieht man im Osten und im Westen je eine kleine Pyramide, die aber nicht zu dieser archäologischen Zone gehören. Unter der Überdachung ist sehr kalt und windig, und ich bin froh, als wir das Gelände verlassen und uns wieder in der Sonne wärmen können. Als wir zurück zum Parkplatz kommen, bereitet eine Mexikanerin auf einer großen Steinplatte, aufgestellt in einem Schuppen, leckere Tacos vor, und verkauft sie an die hungrigen Rückkehrer vom Ruinengelände. Unser Reiseleiter hat sie vorher schon als die besten Tacos in ganz Mexiko angekündigt. Sie schmecken wirklich vorzüglich.
Um 10.40 Uhr fahren wir von Cacaxtla ab. Der Reiseleiter verspricht uns jetzt eine wunderschöne Nebenstrecke durch ein landwirtschaftlich genutztes Hinterland, an Feldern vorbei, wo Bauern noch mit ursprünglichen Methoden arbeiten und viele Eselskarren noch zu sehen sind, und an zwei alten, schönen Haziendas vorbei. Cacaxtla – Landschaft mit dem Vulkan Popocatepetl und Iztaccihuatl Leider werden wir nach einigen Kilometern angehalten. Es geht nicht weiter. Alle Autos werden zurückgeschickt oder biegen auf einen Weg quer durch die Felder ab. Es stellt sich heraus, daß ein Dorf auf unserem Weg gerade die Vorbereitungen für ein Dorffest trifft, und die Straße gesperrt ist. Die Diskussionen mit den Bauern helfen nichts. Wir werden ausnahmsweise nur zum Dorfplatz durchgelassen, um dort zu wenden (auf der Straße schaffen wir es mit dem großen Bus nicht). Auf dem Dorfplatz spielt schon eine Mariachi-Band, und sie winken uns freundlich zu.
Aus der versprochenen landschaftlich schönen Strecke wird also nichts. Wir fahren zurück und nach wenigen Kilometern erreichen wir gegen 11.20 Uhr eine Autobahn, die uns direkt nach Puebla bringt. Während der Fahrt sehen wir vor uns im Südosten in der Ferne den höchsten Berg Mexikos - Pico de Orizaba (5700 m). Wegen der Dunst in der Luft und der großen Entfernung sieht man ihn von hier aus normalerweise nicht. Kurz vor Puebla fahren wir an dem weltweit größten VW-Werk. Um 11.45 Uhr erreichen wir das Zentrum der Stadt und steigen an der Kathedrale aus. Sie ist auch unser erstes Besichtigungsziel. Diese imposante Catedral de la Conception inmaculada mit ihren zwei Kirchtürmen und 14 Einzelkapellen ist die zweitgrößte Kathedrale des amerikanischen Kontinents. Mit ihrem Bau wurde bereits 1585 begonnen. Besonders sehenswert sind hier das Chorgestühl und die blattgoldbelegten Altare mit schönen alten Gemälden.
Anschließend gehen wir durch das historische Zentrum, das 1987 von der UNESCO zum Weltkulturerbe UNESCO-Weltkulturerbe erklärt worden ist, zur Kirche Santo Domingo. Diese Kirche wurde bereits 1535 fertig gestellt und ist die prunkvollste von den zahlreichen Kirchen (99 an der Zahl) der Stadt. Insbesondere die 1690 geschaffene Rosenkranzkapelle (Capilla del Rosario) ist unbedingt einen Besuch wert. Sie besitzt verschwenderische Dekorationen aus vergoldetem Holzschnitzwerk und eine vollständig mit Blattgold ausgestaltete Kuppel. Ich bin von diesem Meisterwerk der üppigen Ausschmückung beeindruckt.
Hier endet unsere Stadtführung. Jetzt haben wir 2 Stunden Freizeit. Ich kehre langsam zum Zocalo zurück, mache an der seitlich am Zocalo gelegenen Kathedrale noch einige Bilder und dann suche ich ein Restaurant auf der gegenüberliegenden Seite des Hauptplatzes auf. Hier treffen wir uns mit einigen anderen Rundreiseteilnehmern, und draußen unter schönen Arkaden sitzend, genießen wir leckere typisch mexikanische Gerichte.
Später gehe ich noch durch das historische Zentrum bummeln. Diese Stadt, auch Stadt der Engel (Puebla de los Angeles) genannt, da der Legende nach die Straßen und Häuserblocks von drei Engel schachbrettartig vermessen wurden, wurde bereits 1531 gegründet. Es ist ein richtiger Genuß, durch die Gassen der Altstadt mit ihren bunt bemalten Häusern zu schlendern. Viele der Häuser besitzen prunkvolle, ornamental gestaltete Fassaden aus Talavera-Kacheln, die typisch für Puebla sind. Ein gutes Beispiel ist z.B. die auffällige barocke Fassade der Casa de Alfenique, wo sich heute das Museum des Staates Puebla befindet. Sie hat etwas Zuckergußhaftes an sich. Interessant ist auch eine mit Glas überdachte Passage, die zum Zocalo führt. Ins Auge fallen mir außerdem die schmucken Straßenschilder, die alle unten auch ein VW-Logo zeigen. Sie werden von dem Konzern gesponsert, was in der "VW-Stadt" schlechthin nicht verwunderlich ist (später sehen wir auch an dem örtlichen Fußballstadion, an dem wir vorbeifahren, ein riesiges VW-Logo). Puebla - eine schmucke Fassade der Casa de Alfenique im Zentrum
Während des Stadtbummels sehe ich eine kleine Bauerndemonstration, angeführt von Reitern mit der Nationalfahne, die Richtung Zocalo marschieren. Zur Zeit wird gegen das Inkrafttreten der nächsten Stufe des NAFTA-Abkommens (Amerikanische Freihandelszone) stark protestiert, die durch die Öffnung des Marktes für die Landwirtschaft die mexikanischen Bauern stark benachteiligt. Im Vergleich zum beispielsweise hochtechnologisierten Maisanbau in den USA sind die hiesigen Bauern nicht konkurrenzfähig. Und auch die Ananas wird heute schon aus China eingeführt, was billiger ist, als die aus dem traditionsreichen Anbau bei Veracruz.
Am Ende meines Stadtbummels durch Puebla besuche ich noch den Künstlermarkt nordöstlich des Zentrums. Hier kann man vielerlei Souvenirs kaufen, insbesondere diverse Keramikarbeiten, Schmuck aber auch Gemälde. Danach suche ich den Parkplatz außerhalb des historischen Zentrums auf, wo unser Bus wartet. Angesichts des schachbrettartigen Straßenmusters ist es nicht schwierig, ihn nach Anweisungen unseres Reiseleiters ausfindig zu machen. Gegen 14.30 Uhr machen wir uns auf den Weg nach Oaxaca - zur Endstation unserer heutigen Etappe.
Puebla verlassen wir über eine 3spurige Autobahn. An der Mautstation am Stadtrand befindet sich nach Worten von Markus die bekannteste Verkaufsstelle für Hundewelpen in ganz Mexiko. Und tatsächlich sehen wir hier einige Leute mit Taschen, die kleine Hunde anbieten und Autofahrer, die bereits Geschäfte machen. Der erste, dreispurige Autobahnabschnitt gilt auch als die gefährlichste Autobahn Mexikos. Hier halten die Busse an, wenn jemand ein- oder aussteigen will, hier fährt man einfach Fahrrad auf der rechten Spur und überholt sogar anhaltende Fahrzeuge, hier kreuzen ganze Familien die Autobahn zu Fuß, um auf die andere Seite zu gelangen - alles kein Problem. Wir können es mit eigenen Augen beobachten. Und die Polizei kümmert sich nicht drum.
Während der Fahrt erzählt uns heute der Reiseleiter viele Fakten und Anekdoten über die hiesige Verkehrspolizei, über die Fahrgewohnheiten der Mexikaner, Führerscheine, Strafzettel etc. Die Führerscheine werden normalerweise bei der jeweiligen Stadt für 1, 2 oder 5 Jahre gekauft und bedeuten nur, daß man eine Fahrerlaubnis erworben hat, nicht aber daß man fahren kann. Dies muß man sich selbst beibringen. Wenn für irgendein Verkehrsvergehen der Führerschein eingezogen wird, ist es oft billiger, sich einen neuen in der Nachbarstadt zu besorgen, als den Strafzettel zu bezahlen. Aber die Realität ist wohl so, daß die meisten Mexikaner sowieso ohne Führerscheine fahren. Man sieht manchmal auch Autos ohne Nummernschilder - sie sind entweder noch nicht zugelassen (es dauert bis zu 3 Monaten), oder aber wurde mal einer bzw. beide Schilder von der Polizei für ein Vergehen (und zu geringes Schmiergeld) abgeschraubt. Und bei den Verkehrskontrollen ist das Fahren ohne Führerschein oder ohne Nummernschilder i.d.R. auch kein Problem, bei der allgemein bekannten und geduldeten Korruption bei der Polizei. Von ihnen hält Markus, wie die meisten Mexikaner, nicht viel. Nicht verwunderlich, wenn es stimmt, daß die meisten Verkehrspolizisten nicht mal gut die Verkehrsregeln kennen. Wenn sie abkassieren wollen, ist es aber egal, ob sie recht haben oder nicht.
Und so lästert Markus und unterhält uns mit Anekdoten über eigene Erfahrungen mit den Polizisten, während wir durch wechselnde Landschaften fahren. Zunächst geht es auf der breiten Autobahn über das Hochtal von Puebla. Abgeerntete Maisfelder, Kohl- und Kopfsalatanbau wechseln sich mit der Einöde ab. Später wird die Schnellstraße einspurig und wir nähern uns den Bergen der Sierra Madre Central. Wir sind auf der berühmten Panamericana. Unterwegs können wir wieder den verschneiten Gipfel des höchsten Bergs Mexikos erblicken. Die Landschaft wird zunehmend hügelig, kahl und karg. Ab ca. 15.30 Uhr tauchen beiderseits der Straße die ersten großen Yucca-Bäume und Opuntien auf. Etwa eine halbe Stunde später folgen die ersten Serpentinen, und es geht kurvenreich bergab. Ich erblicke die ersten, verstreut stehenden Säulenkakteen. unterwegs zwischen Puebla und Oaxaca - Kakteen in der Sierra Madre
Gegen 16.15 Uhr legen wir an einer Tankstelle eine 15minütige Pause an. Das Wetter ist weiterhin traumhaft schön - sonnig, aber nicht zu heiß. Jetzt kommen wir immer tiefer ins Gebirge der Sierra Madre herein. Die majestätischen Yucca-Palmen verschwinden langsam aus dem Landschaftsbild. Dafür tauchen immer mehr verschiedene Arten von Kakteen - Ohrenkakteen (Opuntien), Säulenkakteen, etc. Man sieht hier keine menschlichen Siedlungen, die Landschaft ist karg, steppenartig und nicht bewirtschaftet. Nur ab und zu tauchen noch vereinzelte Felder. Die für uns ungewohnten Riesenkakteen laden förmlich dazu ein, eine Photopause anzulegen. Leider an der Schnellstraße darf man nicht anhalten. Erst gegen 17.00 Uhr erreichen wir eine Stelle am Rande eines Nationalparks, wo ein Parkplatz für Busse ausgebaut ist. Hier sind besonders viele prächtige Exemplare direkt an der Straße zu sehen, und wahrscheinlich jeder Reisebus und jeder Einzelreisende hält hier an. All diese gewaltigen Kakteen sind aber auf der anderen Straßenseite und unser Reiseleiter warnt uns, im Fotofieber nicht zu vergessen, daß wir über eine gefährliche Schnellstraße laufen müssen. Seine Überredungsversuche, die Kakteen doch von unserer Straßenseite zu betrachten, bleiben aber erfolglos. Die Versuchung, die imposanten Kakteen im wunderschönen Licht der gerade langsam untergehenden Sonne aus nächster Nähe zu fotografieren, ist einfach zu groß. Auch ich kann ihr nicht widerstehen. Die Zeit vergeht dabei wie im Nu.
Nach 15-20 Minuten sitzen wir aber wieder im Bus. Ab jetzt fahren wir so richtig in die Sierra hinein. Eine tolle Stimmung herrscht im Bus. Im Radio läuft typisch mexikanische Volksmusik, die Sonne steht tief über dem Horizont, links und rechts eine karge, einsame Traumlandschaft mit schroffen Bergen, Schluchten, Tälern, Steppengras, Gebüschen und vereinzelt hoch emporragenden Säulenkakteen. Man kann in Träumen versinken und sich im Wilden Westen wie aus einem Westernfilm wiederfinden. Kurz von 18.00 Uhr erleben wir einen spektakulären Sonnenuntergang über der Sierra Nevada. Die Sonne, die mich während der letzten Stunden mit ihrem Gegenlicht beim Filmen der Landschaften aus dem Bus heraus sehr gestört hat, tut mir jetzt einen Gefallen, und zaubert auf den wenigen Wolken am Himmel ein tolles Farbspiel herbei.
Um 18.15 Uhr machen wir noch eine kurze Toilettenpause - es ist bereits dunkel und auch bitterkalt geworden - und fahren gleich nach Oaxaca weiter. Kurz vor 20.00 Uhr erreichen wir unser Hotel Mision San Felipe, gelegen im wohlhabenden Stadtteil San Felipe, ganz oben auf einem Hügel. Auf dem Weg dahin erscheint vor unseren Augen die Stadt Oaxaca, die in 7 von Hügeln umgebenen Tälern liegt, als ein einziges Lichtenmeer. Natürlich nicht so groß, wie in Mexiko City, aber trotzdem sehr eindrucksvoll. Den Rest des Abends verbringe ich im Hotel.


5. Tag: Do, 20.11.2003
- Oaxaca - Monte Albán - Oaxaca -

Der heutige Morgen ist nicht so streßig, denn wir verbleiben noch eine zweite Nacht in diesem Hotel, und deshalb müssen wir diesmal nicht die Zimmer räumen und unser Gepäck in den Bus mitnehmen. Stattdessen verlassen wir um 8.30 Uhr (nach dem Frühstück in einem völlig überfühlten Hotelrestaurant) gemütlich das Hotel und fahren in Richtung des Ausgrabungsgeländes von Monte Alban. UNESCO-Weltkulturerbe Das zu den bedeutendsten präkolumbianischen Anlagen zählende Gelände liegt auf einem Bergplateau in 1950 m Höhe, nur 11 km südwestlich von Oaxaca. Monte Alban - Blick von der südlichen Plattform nach Nordwesten (u.a. Monticulo M, Gebäude der Tänzer, System IV) Bereits um 800 v. Chr. haben Olmeken die Kuppe des Berges abgetragen und auf diese Weise eine riesige Plattform für ihre Tempel geschaffen. Seitdem war Monte Alban über zwei Jahrtausende bewohnt. In der Zeit von 500 v. Chr. bis 900 n.Chr. haben hier die Zapoteken ihr wichtigstes Zeremonial- und Machtzentrum errichtet. Es entstanden die bedeutendsten und größten Bauten der Zapoteken, die man noch heute sehen kann. Zeitweise haben in dieser "Weißen Stadt" bis zu 30.000 Menschen gelebt. Um 900 n. Chr. begannen die Zapoteken mit dem Bau von Grabanlagen, die ab ca. 1000 bis 1500 von Mixteken für die eigenen Verstorbenen benutzt wurden.
Nach etwa 20 Minuten Fahrt mit schönen Ausblicken auf die im Tal liegende Stadt Oaxaca erreichen wir das Plateau. Auch heute haben wir ein erstklassiges Wetter mit wolkenlosem Himmel. Aber jetzt am Morgen, als wir aus dem Bus aussteigen, ist es noch ziemlich kalt und windig hier oben. Nach dem Betreten des weitläufigen Geländes bleiben wir zunächst an einem Modell der Anlage stehen. Außerdem ziehen unsere Aufmerksamkeit einige exotische Bäume und Pflanzen an, die hier zu sehen sind und uns vom Reiseleiter erklärt werden. Insbesondere die zahlreichen Bäume mit großen, weißen Blüten fallen ins Auge. Ihnen verdankt Monte Alban seinen Namen - "Weißer Berg". Auch der Kopalbaum ist interessant: er war ein wichtiger Ritualbaum der Indianer. Der Baum trägt nur 4 Monate im Jahr grüne Blätter, den Rest des Jahres sieht er wie gestorben aus. Aus seinem Harz werden heute in Mexiko populäre Spielzeugfiguren hergestellt, die auf Indianermärkten verkauft werden (wir sehen sie z.B. in Mitla).
Die Besichtigung der Ruinen beginnen wir im Nordosten der Anlage, die eine strenge Nord-Süd-Ausrichtung aufweist. An einem mittelgroßen und gut restaurierten Ballspielplatz vorbei erreichen wir die nordöstliche Ecke der tiefer gelegenen Gran Plaza (200x300 m) im Herzen der Anlage. Der Platz ist umgeben von mehreren Palästen und Stufenpyramiden, die sich auf künstlich errichteten Terrassen erheben. Zunächst nähern wir uns der Gruppe von Bauten, die in der Mitte des Platzes hintereinander aufgereiht sind. Östlich davon sehen wir einen in einer kleinen Grube liegenden Schrein, in dem man eine Jade-Maske gefunden hat. Danach gehen wir zu dem rätselhaftesten Gebäude der Anlage - Monticulo J, südlich der mittleren Gruppe. Das Gebäude tanzt völlig aus der Reihe - es ist um 45 Grad gegenüber allen anderen Bauwerken verdreht und hat die Form einer Pfeilspitze. Man rätselt immer noch um seine Bedeutung. Es handelt sich möglicherweise um ein astronomisches Observatorium. Dafür, daß die Astronomiekenntnisse in der Stadt sehr fortgeschritten waren, spricht u.a. auch die exakte astronomische Ausrichtung aller Gebäude. Man vermutet heute, daß Monte Alban eine Universitätsstadt mit den Schwerpunkten Astronomie und Medizin war. Markus erklärt uns die geheimnisvollen Glyphen an der Außenwand des Observatoriums. Laut seiner Erläuterung (er hat ja in Mexiko Archäologie studiert) sind es Symbole der Städte, aus deren die Herrschersöhne hier studierten. Sie könnten aber auch symbolisieren, welcher Herrscher welchen Ort unterworfen hat - die Wissenschaftler streiten noch darüber.
Jetzt haben wir etwas Freizeit und können über eine lange Treppe die Südliche Plattform besteigen. Von hier oben hat man einen guten Überblick über fast das ganze Ausgrabungsgelände. Mitten auf der Plattform steht eine weitere Pyramide. Wieder unten, setzen wir unsere Führung fort. Wir kommen zum wohl bekanntesten Bauwerk von Monte Alban - dem Palacio de los Danzantes (Gebäude der Tänzer) an der Südwestseite der Gran Plaza.
Hier wurden riesige Reliefplatten mit eingemeißelten, merkwürdigen menschlichen Figuren gefunden. Leider sind die hier an der Wand aufgestellten Platten nur Nachbildungen aus Fiberglas, ähnlich wie die anderen auf dem Gelände aufgestellten Stelen. Die Originale sind in Museen zu sehen. Die menschlichen Körper auf den Reliefen sind seltsam verrenkt, und früher hat man sie als Tänzer interpretiert. Heute glaubt man, es seien kranke oder spastisch gelähmte Personen, die als Lehrbilder für Anatomiestudien dienten. Von der guten Medizinkenntnis der Indianer zur Zeit der Eroberung zeugt auch die makabre Geschichte, die uns hier der Reiseleiter erzählt: die Spanier berichteten von gesehenen rituellen Enthautungen von Opfern, die dabei bei vollem Bewußtsein waren. Dies war nur möglich, wenn die Leute keine Schmerzen mehr empfinden konnten. Die Opfer wurden daher zuvor von den Priestern auf einen Stein so geworfen, daß an der richtigen Stelle die Wirbelsäule gebrochen wurde, damit die Querlähmung erfolgte. Möglich war dies nur bei sehr guten Anatomiekenntnissen. Monte Alban - Blick von der südlichen Plattform nach Nordwesten (System IV)
Von hier überqueren wir jetzt die Gran Plaza in die andere Richtung und steigen auf die größere Nördliche Plattform. Hier dominiert ein "Versunkener Hof" mit vier runterführenden Treppen und eine Doppelreihe mit Resten gewaltiger Säulen, die früher ein Dach trugen. Dahinter befinden sich im Nordosten noch einige Pyramiden. Von hier aus hat man einen herrlichen Blick auf die Stadt Oaxaca, das ausgedehnte Tal und die umgebenden Berge. Auf einem von ihnen wurde eine weitere Ruinenstadt entdeckt, die aber noch nicht ausgegraben wurde. Wir schauen noch auf einige Ruinenreste westlich der Plattform und auf das herrliche, weite Panorama dahinten. Anschließend steigen wir über eine Treppe im Osten zurück zum Eingang des Geländes ab. Hier ist unsere Führung zu Ende und wir haben jetzt noch eine Stunde Zeit bis 12.30 Uhr für eigene Erkundungen. Markus bietet uns an, ab 12.00 Uhr für Interessierte noch eine Führung durch das angeschlossene, kleine aber sehenswerte Museum im Eingangsbereich des Geländes zu machen.
Ich gehe zunächst zurück auf die Nördliche Plattform und besteige noch die zwei hier stehenden Pyramiden. Oben genieße ich eine Weile die tolle Stimmung: das herrliche Wetter, die klare Weitsicht auf die wunderschöne Landschaft und den Blick auf das gesamte Ausgrabungsgelände zu meinen Füßen. Rechtzeitig vor der Führung gehe ich zurück ins Museum. Hier sind einige interessante Funde aus den auf dem Monte Alban zahlreich gefundenen Gräbern zu sehen. Interessant ist eine Grabrekonstruktion mit einem Skelett, die in den Fußboden eingelassen ist, oder einige deformierte Kinderschädel.
Anschließend fahren wir mit unserem Reisebus ins Zentrum von Oaxaca. UNESCO-Weltkulturerbe Wir steigen unweit der Santo Domingo Kirche aus. Die Kirche ist mittags geschlossen und so führt uns Markus weiter zur Plaza Alameda vor der Kathedrale und erzählt auch einiges über die Stadt. Heute ist ein Feiertag (Tag der Revolution) und im Zentrum geht gerade eine Parade zu Ende. Hier endet auch unsere Stadtführung. Den Rest des Tages haben wir zur freien Verfügung. Wer will, kann zurück ins Hotel fahren, die meisten bleiben aber gleich in der Stadt. Ich schaue mich zunächst etwas auf der Plaza Alameda um. Sie ist ähnlich wie der benachbarte Zocalo in der Mitte dicht mit hohen, schattenspendenden Bäumen bestanden. Die am Plaza Alameda stehende Kathedrale Alameda de Leon, deren Fassade wegen Renovierungsarbeiten leider unter einem Gerüst verdeckt ist, ist zur Zeit geschlossen. Ich gehe also zum im Süden angrenzenden Zocalo weiter. Unter den dichten Bäumen steht hier ein runder Jugendstilpavillon. Rund um den Zocalo gibt es eine Fußgängerzone und die zahlreichen Cafes, teilweise unter schönen Arkaden, sind am heutigen Feiertag überfüllt. Am Zocalo werden bunte Luftballons und viel Kitsch verkauft, wie es so üblich bei solchen Festen ist. Es spielt Musik, zahlreiche Touristen und Einheimische schlendern auf den beiden Plätzen.
Ich gehe weiter nach Süden. Nur zwei Straßenblöcke vom Zocalo entfernt befindet sich hier ein großer, überdachter Benito-Juarez-Markt. Hier kann man alles nur erdenkliche kaufen: u.a. diverse Lebensmittel (Fleisch, Fisch, Backwaren, Obst), Textilien, Souvenirs, Keramik, sehr viele Schnittblumen, Aquarienfische u.s.w. In den Garküchen kann jeder den Hunger stillen. Ich spaziere etwas durch die engen Gänge in der Halle und versorge mich mit Gebäck, dann kehre ich zum Zocalo zurück. In einer Seitenstraße nördlich der Kathedrale finde ich eine kleine Imbißstube, die uns Markus empfohlen hat. Hier gebe es die besten Baguetten Mexikos. Und er hat wohl recht. Ich bestelle eine Salami-Baguette und stimme auf Nachfragen der Bedienung einigen weiteren Zutaten blind zu (da ich kein Spanisch verstehe). Die Riesenbaguette schmeckt wirklich köstlich, ich kann mich nicht erinnern, schon mal eine bessere gegessen zu haben. So gestärkt setze ich dann mein Stadtbummel fort. Zwischenzeitlich hat die Kathedrale wieder auf. Ich besichtige also die prächtige barocke Kirche. Danach orientiere ich mich wieder nach Norden und schlendere durch die Gassen der historischen Altstadt mit einer sehr niedrigen Bebauung. Auf dem Weg zurück zur Santo Domingo Kirche, die jetzt wieder geöffnet sein müßte, kaufe ich mir von fliegenden Händlern zwei Bilder mit landestypischen Motiven, die auf Baumrindenpapier gemalt sind. "Dorfleben" auf dem Baumrindenpapier Aztekenkalender gemalt auf dem Baumrindenpapier Diese Bilder auf dem speziellen Material sind typisch für die Region um Oaxaca und werden für wenige Pesos (für beide habe ich 35,- bezahlt) überall auf den Straßen angeboten. Oaxaca - Kirche Santo Domingo
Die Klosterkirche Santo Domingo wurde zum nationalen Monument Mexikos erklärt und gilt als die Schönste des Landes. Das Innere besticht durch eine fast überladene barocke Pracht. Insbesondere bleibt mir im Gedächtnis die Rosenkranzkapelle (Capilla de la Virgen del Rosario) mit der fast vollständig mit Blattgold überzogenen Rokoko-Altar. Auch eine Stuckdekoration mit dem Stammbaum des Dominikanerordens auf der Decke am Eingang ist sehenswert. Insgesamt ist die Kirche mit ihren elf reichlich geschmückten Kapellen ein Muß für jeden Besucher Oaxacas. Direkt an die Kirche grenzt das interessante Museo de las Culturas de Oaxaca an, das sich im ehemaligen Klosterteil der Anlage aus dem 16./17. Jh. befindet. Ein Besuch in diesem Museum ist auch sehr empfehlenswert, und ich lasse es natürlich nicht aus. Für den Eintritt bezahle ich 37,- Pesos und fast das Gleiche auch für meinen Camcorder. Die Erklärungen, daß ich drinnen gar nicht filmen will, helfen mir nichts. Weil ich den Camcorder dabei habe, muß ich zahlen.
In dem Museum befinden sich reiche ethnographische Sammlungen, die einen guten Einblick in die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Indianer und anderer Einwohner der Region geben. Auch die Geschichte dieser Region wird hier veranschaulicht. Und eine Sammlung alter Bücher ist in zwei historischen Bibliothekräumen zu sehen. Die Exponate sind auf zwei Etagen in zahllosen, kleinen und schlichten Klosterzellen ausgestellt, die sich um einen Innenhof gruppieren bzw. entlang langer Flure aneinander reihen. Die wertvollsten Schätze des Museums sind jedoch die Funde aus dem Mixteken-Grab Nr. 7 in Monte Alban. Es sind Grabbeigaben aus Gold, Silber und Edelsteinen. Vor allem die wunderschöne blaue Totenmaske aus Jade beeindruckt mich sehr. Dabei handelt es sich um den wertvollsten Grabschatz des amerikanischen Kontinents. In diesem Raum verbringe ich wohl die meiste Zeit. Neben den Exponaten selbst interessant ist auch der endlos ablaufende Video-Film mit der Darstellung der Ausgrabungen und des Fundes sowie mit einer Rekonstruktion der Begräbniszeremonie.
Aus den fensterlosen Öffnungen in den Fluren des ehemaligen Klosters hat man einen guten Blick auf die große Gartenanlage. Hier befindet sich eine wunderschöne Sammlung verschiedenster Kakteen Mexikos. Leider kann der botanische Garten selbst nicht immer betreten werden - so auch heute, und mir verbleiben nur die Einblicke aus der Ferne. Mittlerweile ist es schon nach 17.00 Uhr geworden. Ich muß mich jetzt beeilen, denn ich will den nächsten kostenlosen Schuttle-Bus unseres Hotels erwischen, der stündlich ein paar Straßen weiter abfährt. Der nächste fährt bereits um 17.30 Uhr ab und ich fahre mit ihm dann zurück ins Hotel.
Für heute abend haben wir einen fakultativen Besuch einer Tanzvorführung gebucht (140,- Pesos p.P.). Da die meisten Gäste aus unserer Reisegruppe sie besuchen möchten, fahren wir um 19.50 Uhr mit unserem Bus herunter in die Altstadt. Die Veranstaltung findet im Restaurant "Casa de Cantera" unweit des Zocalo statt und beginnt um 20.30 Uhr. Gezeigt werden Volkstänze der 7 Regionen von Oaxaca unter dem Motto: Erntedankfest von Oaxaca "Guelaguetza" ("Gegenseitige Hilfe vom Volk"). Insgesamt eine interessante, bunte Vorführung mit einer typisch mexikanischen, schwungvollen Musik, die bis 22.00 Uhr dauert. Nach der Rückkehr ins Hotel lege ich mich - heute schon ziemlich erschöpft - gleich ins Bett.


6. Tag: Fr, 21.11.2003
- Oaxaca - El Tule - Mitla - Tehuantepec -

Santa Maria El Tule - 2000 Jahre alte Sabino-Zypresse, links ein Verwaltungsgebäude Nach einem Frühstück in dem heute zum Glück nicht so überfüllten Speisesaal verlassen wir um 8.00 Uhr das Hotel Misión San Felipe. Bereits nach 20 Minuten Fahrt halten wir in dem Städtchen Santa Maria El Tule an, 12 km östlich von Oaxaca. In diesem Ort steht an einer Pfarrkirche der mit über 2000 Jahren wohl älteste Baum des amerikanischen Kontinents. Die auf einer Tafel aufgeführten Daten dieser Sabino-Zypresse (Taxodium mucronatium) sind imposant Höhe: 42 m, Dicke (Umfang): 58 m, Durchmesser: 14.05 m, Volumen: 816,829 Kubikmeter, Gewicht: 636.107 Tonen.
Am Baum warten schon, wie immer, einige kleine Jungs auf die Besucher. Sie zeigen hier den Touristen verschiedene Verformungen der Äste und des Stammes hin, die an Tierfiguren erinnern. Unser Reiseleiter wählt einen ca. 8-9 jährigen Jungen aus, und er legt gleich los. Er geht mit uns um den Stamm herum, zeigt mit den Lichtreflexen eines kleinen Spiegels verschiedene Stellen am Baum und sagt fast schreiend mit ernster Miene die deutschen Namen der Tiere auf. Nach jedem gezeigten Beispiel kommt die obligatorische laute Frage "jaaaaa?", die wir beantworten müssen, bevor es dann mit "O.K., bitteee weiter" zur nächsten Stelle geht. Die Kinder dürfen diese Führungen natürlich nur vor oder nach der Schule machen. Vor der Kirche mit der riesigen Zypresse befindet sich ein großer Platz mit viel Grün. Vor einem Gebäude der Stadtverwaltung am Rande des Platzes ragen hoch in den Himmel drei schlanke Palmen, die einen scharfen Kontrast zu der breiten und runden Zypresse bilden.
Das Wetter ist heute genauso schön, wie in den Tagen zuvor, und verspricht wieder einen gelungenen Rundreisetag. Wir bleiben in El Tule noch bis 9.00 Uhr und fahren dann nach Mitla weiter, ca. 45 km südöstlich von Oaxaca entfernt. Gegen 9.45 Uhr erreichen wir das Städtchen, in dem sich eine kleine, aber bedeutende mixtekische Grabungszone befindet. Wir verlassen unseren Bus auf einem Parkplatz nördlich der markanten katholischen Kirche mit vier rostroten Kuppeln, die 1590 von den Spaniern auf einem ehemaligen Mixtekentempel errichtet wurde. An der Kirche und einer Ausgrabungsstelle (Grupo Norte) vorbei gehen wir zu der umzäumten archäologischen Stätte mit den wichtigsten Bauten. Unterwegs fallen mir ins Auge die Zäune, die aus dicht aneinander gereihten Säulenkakteen bestehen. Ein praktisches "Baumaterial" für die Zäune.
Auf dem relativ kleinen Grabungsgelände macht uns Markus eine kurze Führung. Eine Besonderheit dieser Stätte sind die filigranen geometrischen Mosaiken. Besonders gut sind sie im Palacio de las Columnas (Palast der Säulen) erhalten. Über eine Treppe betreten wir das längliche und unten rot gefärbte Gebäude. Wir gelangen zu einer Plattform, auf der ein Hof mit sechs gewaltigen Säulen liegt. Früher haben sie wahrscheinlich ein Dach getragen. Durch einen schmalen, niedrigen Eingang kommen wir dann zu einem weiteren Hof - Patio de Grecas. Die Wohnräume um den Patio besitzen keine Fenster, die Eingänge wurden aber so konstruiert, daß vom Hof genügend Licht einfällt. Um den Hof herum befinden sich besonders schöne, mäanderförmige Steinornamente in 16 geometrischen Variationen, bestehend aus ca. 100.000 Kalksteinziegeln. Interessant ist dabei, daß ein Teil davon eine echte Mosaik aus einzelnen Steinen ist, und ein Teil aus dem massiven Stein herausgearbeitet wurde und nur scheinbar eine Mosaik darstellt. Auf den ersten Blick erkennt man den Unterschied gar nicht. Anders als in den anderen archäologischen Stätten findet man in Mitla keinerlei figürliche Darstellungen, sondern nur Mosaikornamente. Mitla - kath. Kirche an der archäologischen Zone
Wir haben jetzt noch etwas Zeit, uns in der Umgebung umzuschauen. Ich besuche u.a. noch die nördliche Gruppe in der eintrittsfreien Zone, die aber aus nur einem Innenhof besteht, der auch von Wänden mit Mosaikornamenten umgeben ist, aber nicht so spektakulär wirkt. Zwischen dem Ausgrabungsgelände und der Kirche befindet sich ein Indianermarkt, auf dem u.a. verschiedene regionale und landestypische Souvenirs angeboten werden, darunter auch die schon erwähnten Spielzeugfiguren aus dem Harz des Kopalbaumes. Ich finde einige Stände mit verschiedenen indianischen Masken und kaufe mir eine kleine, interessante Zapotek-Maske aus Holz. Zapotek-Maske
Um 11.10 Uhr fahren wir los, aber kommen nicht weit, denn unser Bus macht Probleme und kann nicht beschleunigen. Nur 5 Minuten später bleiben wir neben dem Marktplatz des Städtchens Mittla stehen. Unser Busfahrer versucht den Bus zu reparieren. Uns gibt das eine schöne Gelegenheit, sich hier umzuschauen. Auf dem Zocalo und auf den Straßen sieht man viele indianische Frauen in ihren Trachten. Sie lassen sich in der Regel nicht fotografieren, obwohl hier kaum Touristen auftauchen. Neben dem Zocalo befindet sich eine große Markthalle, wo alles Essbare zu kaufen gibt - Fleisch, Backwaren, Obst und Gemüse.
Nach einer halben Stunde Reparaturzeit scheint das Problem behoben zu sein, und um 11.45 Uhr fahren wir weiter Richtung Südosten. Kurze Zeit später halten wir in einem kleinen Straßendorf an einem Familienbetrieb an, in dem Mezcal hergestellt wird. Dieser für diese Region typische Schnaps ist nicht so bekannt, wie die berühmte Tequila, wird aber ähnlich hergestellt. Der Unterschied besteht eigentlich nur darin, daß Mezcal aus den Herzen der grünen Agavenart hergestellt wird, während Tequila aus der blauen Agave gewonnen wird. Wir spazieren durch den Hof des Betriebes und sehen einen Erdofen, in dem die Agavenherzen eingegraben und erhitzt werden. Vom Markus erfahren wir dann einiges über den Herstellungsprozess von Mezcal. Man unterscheidet 3 Sorten: blanco - weiße, rauhe Sorte ohne Reifung, golden - nach 6 Monaten Reifungsprozess, und alt - nach mindestens 12monatiger Reifung. Wir können auch verschiedene Sorten (pur oder mit verschiedenen Geschmacksrichtungen, z.B. Maracuja) probieren und später in einem kleinen Kiosk direkt an der Straße erwerben.
Um 12.30 Uhr setzen wir unsere Reise fort. Wir sehen unterwegs zahlreiche Felder, wo Agaven angebaut werden, und immer wieder kleine Mezcalbetriebe. Am Horizont begleiten uns - mal näher mal weiter entfernt - die Gebirgszüge von Sierra Madre, und natürlich auch Kakteen dürfen hier nicht fehlen. Wir kommen immer tiefer ins Gebirge hinein, die Strecke wird immer kurvenreicher. Wir fahren auf der berühmten Panamericana - es ist eigentlich eine einspurige Straße, über die aber viele große Lastzüge fahren. Um 13.30 Uhr legen wir in einer Raststätte direkt an der Straße eine einstündige Mittagspause an. Der kleine Ort heißt San Jose de Gracia.
Nachdem wir dort eine leckere Suppe gegessen und danach etwas die Beine vertreten haben, geht es bei schönem Wetter weiter. Es folgt jetzt wieder eine kurvenreiche Strecke durch die Ausläufer des Gebirges mit vielen kleinen Tälern, Schluchten und Abgründen. Wir fahren durch eine sehr schöne, immer grüner und üppiger werdende Landschaft. Immer wieder gibt es noch Zonen mit verschiedenen Kakteenarten (v.a. Säulenkakteen), aber es tauchen mehr und mehr Gebüsche und Bäume auf. Auch die ersten Palmen sind da.
Unser Reiseleiter erzählt uns auf der heutigen Fahrt über die früheren, präkolumbianischen Zivilisationen und Kulturen sowie über deren wirtschaftliche Grundlagen, Handelsbeziehungen und Untergangsgründe. Die Azteken waren z.B. eine kriegerische Kultur mit einer starken Hauptstadt, mit deren Untergang auch deren Kultur unterging. Die Mayas bildeten dagegen eine Handelskultur, ohne eine zentrale Hauptstadt, sondern mit Städten, die sich auf Herstellung verschiedener Güter spezialisiert und verschiedene Handelsbeziehungen unterhalten haben. Mitla - Palast der Säulen (Palacio de las Columnas) aus der Zeit der Mixteken Sie wurden hauptsächlich über Teotichuacan abgewickelt und mit seinem Untergang begann erst langsam der Untergang der Maya-Kultur. Durch die Zerstörung der Handelswege fielen Glieder in der Kette aus, die Städte mußten sich umorientieren, manche Standorte wurden aufgegeben und dafür neue aufgebaut. Der Wegfall führte zur Übervölkerung anderer Städte, die nicht mehr ernährt werden konnten und daran kaputt gingen. Andere Gründe für den Untergang der Maya-Städte waren Kriege, Revolutionen, auch Vulkanausbrüche, oder Rodung von Wäldern, um Kalkstein abzubauen und zu brennen als Rohstoff zum Pyramidenbau. Diese Rodungen führten zur starken Erosion der zuvor noch landwirtschaftlich genutzten Flächen und damit zum Wegfall der Ernährungsmöglichkeiten der bevölkerungsreichen Städte.
Gegen 16.00 Uhr sind die schlimmsten Serpentinen vorbei und wir kommen in eine flachere, sehr fruchtbare Gegend. Auf der linken Seite passieren wir einen großen Wasserreservoir - den Benito-Juarez-Stausee. Die Vegetation ist hier schon ganz dicht und üppig grün. Es gibt hier große Plantagen von Zitrusfrüchten, Papayas, man sieht viele Palmen. Bald erreichen wir die Stadt Tehuantepec. Diese nicht allzu große Ortschaft liegt an den Ausläufern der Sierra Madre und auf dem Meeresniveau. Hier beginnt die Ebene des Isthmus von Tehuantepec, des flachen Korridors zwischen dem Atlantischen und Pazifischen Ozean an der schmalsten Stelle Mexikos.
Um 16.45 Uhr ereichen wir schließlich unser Hotel Calli Tehuantepec, einige Kilometer vom Stadtzentrum entfernt und von einer großen Gartenanlage mit vielen Palmen umgeben. Nach dem Bezug der Zimmer, die sehr hell und geräumig sind, und einer kurzen Erholung mache ich noch einen Spaziergang durch das Hotelgelände und die Umgebung. Hier herrscht ein ganz anderes Klima, als wir bis jetzt gewohnt waren. Die Luft feuchtwarm mit Temperaturen um 35 Grad und schwül. Ich fühle mich hier, wie in den Tropen. Außerdem weht ein starker warmer Wind, der typisch für diese Region ist und nie ganz aufhört. Vor dem Hotel sehe ich auf der Straße mehrere von Ochsen gezogene große Zweiradkarren, die von Feldern zurückkehren - auch ein typisches Bild für diese Gegend. Das Hotelgelände ist von saftig grünen Feldern umgeben. Dahinter wehen im Wind schlanke Kokospalmen vor den Gebirgsketten der Sierra Madre im Hintergrund. Bei der jetzt gerade untergehenden Sonne bietet es sich so ein idyllisches Bild. Bevor es ganz dunkel wird kehre ich zurück ins Hotel, um mich mit Autan einzuschmieren, denn die Mücken sind hier ziemlich zahlreich und aggressiv. Nach dem gemeinsamen Abendessen (diesmal inclusive) verbringe ich den Rest des Abends in der Hotelanlage.


7. Tag: Sa, 22.11.2003
- Tehuantepec - Tuxtla Gutierrez (Sumidero Canyon) - San Cristóbal -

Um 8.00 Uhr verlassen wir unser schönes Übernachtungshotel bei Tehuantepec. Hier haben wir keine Besichtigungen im Programm gehabt. In dem Städtchen gibt es wohl auch nichts besonderes zu sehen. Es ist nur ein günstiges Etappenziel auf dem Weg in die Berge von Chiapas gewesen. Das Wetter ist heute gewohnt schön - sonnig, warm und wolkenlos. Wir fahren nach Nordosten und später nach Osten durch die flache Landenge zwischen dem Atlantik und Pazifik - den Istmo de Tehuantepec. Die Panamericana ist hier eine schnurgerade, ebene Straße durch eine grüne Landschaft mit vielen Feldern und Kokospalmen, die in die Windrichtung geneigt sind. Es weht hier immer ein sehr starker Wind vom Golf von Mexiko zum Pazifik hin. Manchmal erreichen die Windböen sogar Geschwindigkeiten von bis zu 200 kmh, so daß die Straße geschlossen werden muß. Sonst würden in der offenen, nicht windgeschützten Umgebung die Fahrzeuge von der Straße wie ein Spielzeug wegfliegen. Links begleiten uns in einer gewissen Entfernung die Bergketten der Ausläufer von Sierra Madre de Oaxaca. Rechts verläuft parallel zur Straße in einigen Kilometern Entfernung die Küste des Golfs von Tehuantepec im Pazifik, die man jedoch nicht sehen kann. Tehuantepec - Landschaft mit Palmen in der Hotelnähe
Auf der heutigen Fahrt hören wir von Markus die interessante und sehr spannend erzählte Geschichte der Eroberung Mexikos durch die spanischen Konquistadoren. Der Feldzug von Hernand Cortes und die Vernichtung der Azteken 1519-1521 beruhen eigentlich mehr oder weniger auf einem Übersetzungsfehler. Bei einem mit ihm verbündeten Indianerstamm wurde Cortes nämlich erzählt, daß die Städte der Azteken voll mit einem goldenen Material sind. Cortes konnte nicht ahnen, daß für die Azteken Gold keinen besonderen Wert darstellte, viel wertvoller waren Vogelfeder und der Obsidian. Als Cortes später von dem Aztekenkönig Moctezuma II. als Begrüßungsgeschenk einfach so zwei Kisten voll Gold, Silber, Edelsteine und Perlen geschickt bekommt, spielt seine Phantasie mit. Er stellt sich vor, in der Aztekenhauptstadt muß es einen Überfluß an Gold geben, wenn man ihm so großzügig soviel Gold schenkt. Als seine Lebensgefährtin und Dolmetscherin Malinche, die Tochter eines Nahua-Häuptlings (sie übersetzt von Nahuatl - der Azteken-Sprache - in eine Maya-Sprache, während ein Pater, Geronimo de Aguilar, der 7 Jahre in der Maya-Gefangenschaft verbrachte, von Maya ins Spanische), von dem goldenen Material spricht, meint sie aber einfach den Mais, der für die zahlreiche Bevölkerung der Hauptstadt reichlich in den Kornkammern gelagert ist.
Eine weitere interessante Tatsache, die wir von Markus hören, und die ich nicht kannte, ist die Feststellung, daß es keine Azteken gab, sondern die Mexikos("Menschen aus der Mitte des Universums"). So nannte sich die letzte große Kultur vor der Eroberung Mexikos. Der Name Azteken beruht auch wieder auf einem Fehler bei der Doppelübersetzung. Bei der ersten Begegnung zwischen Cortes und dem Aztekenkaiser Moctezuma II. stellten sie sich gegenseitig vor. Zuerst nannte Cortes seinen Namen und sagte, daß er aus Spanien käme. Der Aztekenherrscher sagte darauf: "ich bin Moctezuma und komme aus Azlan". Es war aber eine religiöse Antwort. Mit Azlan ("Am Ort der Fischreiher" bzw. "Wo die sieben Höhlen sind") meinte er einen mystischen Abstammungsort, den Ort der legendären Genese seines Volkes, wie es etwa für die Christen der Garten Eden ist. Der Cortes versteht es jedoch als einen konkreten Ortsnamen und nennt sie deshalb Azteken (dh. Menschen, die aus Azlan kommen). In Mexiko ist der Name Azteke verpönt, und z.B. in der Schule oder an der Uni fällt man garantiert durch, wenn man diesen Namen anstelle von Mexicos erwähnt. Jetzt verstehe ich auch, warum am Eingang des entsprechenden Saals im Anthropologischen Museum in Mexiko City nicht "Kultur der Azteken" stand, sondern "Kultur der Mexicos".
Inzwischen sind wir schon ca. 1,5 Stunden unterwegs und kommen immer näher ans Gebirge heran. Wir passieren jetzt u.a. große Mango-Plantagen. Um ca. 9.50 Uhr machen wir an einer Tankstelle in dem kleinen Ort Tapanatepec eine 15minütige Pause. Auf der Panamericana dösen viele schwere LKW's an uns vorbei. Nach der Unterbrechung geht es jetzt direkt ins Gebirge der Sierra Madre de Chiapas hinein. Nachdem wir eine gewisse Höhe erreicht haben, breitet sich auf der rechten Seite (im Süden) eine weite, absolut flache Ebene vor unseren Augen, und am Horizont dahinter sehen wir auch das Wasser des Pazifiks im Golf von Tehuantepec. Bald verschwindet aber die Ebene aus unserem Blickfeld. Wir sind wieder im Gebirge. Es folgen jetzt zahllose Kurven und Serpentinen. Die Berge sind noch grüner und dichter bewachsen, als in der Sierra Madre del Sur. Teilweise gibt es hier schon kleinere Wälder.
Gegen 11.00 Uhr erreichen wir eine Hochebene, umgeben am Horizont von Berggipfeln links und rechts der Straße. Wir sehen hier kaum menschliche Siedlungen, aber es gibt mancherorts größere bestellte Felder. Also muß es in der Nähe auch irgendwelche Dörfer geben. Ansonsten ist die Natur eher steppenartig, mit nur wenigen Bäumen und großen grasbewachsenen Flächen. Die Landschaft wird von saftig grünen Farben dominiert. Hier wird viel Viehzucht betrieben, hören wir. unterwegs durch Sierra de Chiapas nach Tuxtla - Landschaftsimpression mit gelben Blumen bei einem Zwischenstopp
Gegen 11.30 Uhr legen wir die nächste kurze Pause an, wieder an einer Tankstelle. Währenddessen spaziere ich zu einem überwucherten Feld an der Straße, das dicht mit kleinen, sonnenblumenartigen Wildblumen bewachsen ist. Es sieht wie ein gelber Teppich aus. Insgesamt ist die Natur hier unterwegs sehr farbenfroh, mit vielen blühenden Sträuchern und Pflanzen. Zwischenzeitlich zeigen sich auf dem Himmel einige Wolken, die aber wieder vorbeiziehen.
Jetzt haben wir vor uns noch ca. eine Stunde Fahrt bis zum nächsten großen Ort, wo wir eine Mittagspause machen werden. Zunächst führt die Straße noch über einige Serpentinen bergauf, dann folgt die nächste Hochebene. Es gibt immer noch keine Ortschaften zu sehen, höchstens einzelstehende Häuschen. Hier oben wachsen nur kleine Bäume und viel Gestrüpp, das aber stellenweise sehr dicht und üppig grün ist. Um 12.30 Uhr erreichen wir schließlich die Grenzen der Hauptstadt von Chiapas, der Stadt Tuxtla Gutierrez. Es ist eine große, moderne Industriestadt mit ca. 480.000 Einwohnern und mit kaum Sehenswürdigkeiten. Am Stadtrand passieren wir einen Polizeikontrollpunkt. Davor informiert ein riesiger Infoschild am Straßenrand: "Kontrollpunkt der Polizei. Wenn sie Geld verlangen, zeigen sie an unter der Tel.Nr. ...". Über ein ausgedehntes Industriegebiet kommen wir 20 Minuten später zu einem großen Einkaufscenter abseits des Stadtzentrums. Hier machen wir bis 14.00 Uhr unsere Mittagspause.
In dem modernen Einkaufszentrum befinden sich viele Imbiß-Stände - für jeden Geschmack ist etwas dabei. Auch ich esse eine Kleinigkeit, dann bummle ich durch die verschiedenen Geschäfte. Neben diversen Elektronikgeschäften, Juwelieren, Boutiquen, einem Kino ist auch u.a. ein C&A dabei. Am interessantesten finde ich jedoch den riesigen Lebensmittelmarkt. Auffällig ist, daß alle Verkäuferinnen an den Theken hygienischen Mundschutz tragen. Und Backwaren werden nicht mit der Hand angepackt, sondern im Selbstbedienungsmodus schnappt sich jeder Kunde ein großes Tablett und eine Zange, und stellt sich die gewünschten Gebäck- und Kuchensorten so zusammen. An der Kasse wird dann alles mit Hilfe der Zange eingetütet und verpackt. Diese hygienische Vorgehensweise sehe ich auch später in mehreren Bäckereien in Yucatan.
Eine Besonderheit sind auch Kinder in einheitlichen Uniformen, die an den zahlreichen Kassen die bezahlte Ware einpacken. Es ist keine Kinderarbeit, wie wir später erfahren, sondern ein Belohnungssystem für die besten Schüler. Mit der Zustimmung der Schule und der Eltern können sie sich ein Taschengeld verdienen. Das Notenniveau wird regelmäßig kontrolliert, und sollte es sinken, dürfen die Kinder nicht mehr arbeiten. Ich finde, eine tolle Sache.
Auf einer Kreuzung vor dem Einkaufscenter beobachte ich später einen Clown, der während des Wechsels der Ampelphasen die Autofahrer unterhält und später Geld sammelt. Nach der Mittagspause fahren wir mit unserem Bus zur größten Attraktion des heutigen Tages - zur Schlucht Canon de Sumidero, ca. 20 km östlich von Tuxtla entfernt. Nach etwa 40 Minuten erreichen wir die Anlegestelle auf dem Rio Grijalva, in dem kleinen Kolonialstädtchen Chiapa de Corzo. Hier sind die Ufer noch flach, aber auf der anderen Seite einer großen hängenden Brücke, über die wir aus Tuxtla gekommen sind, sieht man schon die ersten Steilwände.
An der Anlegestation bekommen wir alle Schwimmwesten verpaßt (Pflicht!), dann besteigen wir ein großes Motorboot mit einem "Hochsitz" für den Bootsführer und für unseren Reiseleiter. Es kann losgehen. Nachdem wir unter der Brücke durchgekommen sind, wird der Fluß enger und die Felswände immer steiler. Bald schon ragen sie bis zu 1000 m senkrecht in den Himmel. Zur Zeit der Eroberung haben sich von oben viele Indianer in den Abgrund heruntergeworfen (oder wurden heruntergestoßen), weil sie sich von den Spaniern nicht unterwerfen lassen wollten. Wenn man nach oben schaut, fühlt man sich verschwindend klein und hilflos angesichts der gewaltigen Natur. Obwohl wir heute einen wolkenlosen Himmel haben und erst ein früher Nachmittag ist, kommt nach unten nur sehr wenig Licht durch. Wir fahren in der engen Schlucht meistens im Schatten, es ist hier auch relativ kühl. Unterwegs können wir verschiedene Vögelarten beobachten: Pelikane, Kormorane, Bussarde, Falken, verschiedene Reiher. Am Eingang in die Schlucht wärmen sich auf einem flachen Felsufer zahlreiche Rabengeier in der Sonne. Später sehen wir auf einem schmalen Uferstreifen unterhalb einer steilen Wand drei Krokodile, die sich kaum vom Hintergrund unterscheiden und so zunächst kaum zu entdecken sind. Canon de Sumidero - steile Felswände
Heute ist der Wasserstand des stellenweise bis zu 250 m tiefen Flußes so niedrig wie sonst nur selten (ca. 1,5 - 2 m unter dem Normalniveau), was man unschwer an den Spuren der üblicherweise unter Wasser stehenden Felswandteile erkennen kann. Oberhalb und unterhalb der Schlucht befinden sich zwei Stauseen und heute wurde im unteren Lauf viel Wasser abgelassen. Nach einiger Zeit kommen wir an einer Stelle vorbei, an der sich komischerweise auf der gesamten Flußbreite ein Teppich aus v.a. organischen Abfällen gebildet hat. Aber auch viel Haushaltsmüll ist dabei. Es sieht gar nicht appetitlich aus. Wir lassen uns erklären, daß der Dreck regelmäßig entfernt wird. Ursache dafür ist, daß an dieser Stelle die Rückstauwelle von der Staumauer die normale Flußströmung neutralisiert und zum Stillstand bringt.
Unterwegs sehen wir eine Grote, man nennt sie Grote der Farben, in der eine kleine Kapelle errichtet wurde. Auf einem Altar steht die Statue der Madonna von Guadelupe, die nur vom Boot aus über eine an der Wand angebrachte Leiter zu erreichen ist. Nach etwa 45 Minuten einer zum Teil rasanten Motorbootfahrt kommen wir zu einer Felsformation, die als "Tannenbaum" bezeichnet wird. Sie ist genau 22,8 km von der Anlegestelle entfernt. An dieser Stelle sprüht und regnet das aus dem Fels reichlich dringende Quellwasser herunter. An der Felswand hat sich dadurch eine Art von Tropfsteinplättchen gebildet, die mit langem Gras und Moos bewachsen sind. Die nassen, herunterhängenden Grasblätter schimmern im Licht und werden mit Engelshaaren verglichen. Dazwischen blühen gerade kleine, blaue Blümchen. Aus der größeren Entfernung sieht das Ganze eben wie ein überdimensionaler grüner Tannenbaum.
An dieser Stelle haben wir den Endpunkt unserer Bootsfahrt erreicht. Jetzt geht es im rasanten Tempo zurück. Stellenweise erreicht unser Motorboot Geschwindigkeiten von bis zu 70 Stundenkilometern. Kurz nach 16.00 Uhr sind wir an der Anlegestelle zurück und steigen in den Reisebus um. Nun beginnt die letzte Etappe unserer heutigen Reise - die ca. 2stündige Fahrt nach San Cristobal de las Casas. Wir kommen wieder tiefer ins Bergland hinein. Auf unzähligen Serpentinen windet sich die Panamericana ziemlich steil bergauf - von 400 m ü. NN auf ca. 2300 m ü. NN auf einer Strecke von nur ca. 60 km.
Zunächst fahren wir durch dichte Kiefernwälder, die später nach und nach von Mais- und Cheyokefeldern sowie anderen landwirtschaftlich genutzten Flächen abgelöst werden. Die Hänge am Straßenrand sind nicht selten mit intensiv blühenden Sträuchern und Wildblumen dicht bewachsen, die vor allem in gelb, aber auch in lila und weiß ihre Farbpracht entfalten. Gegen 17.00 Uhr erreichen wir die ersten Maya-Siedlungen im Gebirge. Kleine Holzhütten an den Hängen, barfüßige, traditionell mit Ponchos gekleidete Indianerfrauen, die kleine Holzbündel zur Hüttenbeheizung auf den Rücken schleppen - ein solches Bild bietet sich uns um so häufiger, je näher wir an San Cristobal herankommen. Die Gegend ist landwirtschaftlich geprägt, mit vielen Indio-Dörfern, in denen das Leben noch sehr traditionell abläuft. Die Frauen sind hier für das Haushalt, also auch für das Holzschleppen zuständig, die Männer (die sich nicht mehr so traditionell kleiden) - für die Feldarbeit. Kurz vor San Cristobal sehen wir einige größere Siedlungen; eine tief im Tal, malerisch an einem See gelegen. In einem anderem Dorf findet gerade ein Dorffest statt, und wir sehen vom Bus aus viele Männer in Trachten vor einer Bühne sitzend. Und natürlich auch viele schwarzhaarige Kinder in kleinen roten Ponchos. In einem anderen Tal nahe an San Cristobal fallen uns ins Auge zahlreiche, ausgedehnte Flächen mit Gewächshäusern bestanden. Hier werden von den Indianern in einem größeren Umfang Blumen gezüchtet.
Wir haben jetzt schon eine erhebliche Höhe erreicht. Das Wetter ist noch relativ schön, aber die Gipfel der Bergketten am Horizont stecken zum Teil in dicken Wolken. Auch in einigen Tälern unter uns sind bereits Wolken zu sehen, auf die wir von oben, wie aus dem Flugzeug, herausschauen. Bald verschwinden auch wir stellenweise in feuchten und kühlen Wolkenfeldern. Die Busscheiben beschlagen im Nu, was uns nach den sonnigen, trockenen Tagen irgendwie unwirklich vorkommt. Wir erlegen einen wunderschönen Sonnenuntergang. Die Sonne vor dem wolkenfreien Hintergrund wird durch die um uns herum liegenden Wolken und Nebelfelder malerisch zerstreut und gedämpft. unterwegs zwischen Tuxtla Gutiérres und San Cristobal de las Casas - Sonnenuntergang über Sierra de Chiapas
Gegen 17.30 Uhr erblicken wir vor uns das Tal von San Cristobal und fahren herunter. Als wir eine halbe Stunde später die fast 100.000 Einwohner zählende "Indianerhauptstadt des Landes" erreichen, ist es schon dunkel. Wir fahren durch die schmalen Gassen mit bunt gestrichenen Häuschen bis ins Zentrum. Am Zocalo, neben der Kathedrale steigen wir aus und gehen zu Fuß zum nur wenige Hundert Meter entfernten Hotel "Hostal Flamboyant Espanol", in dem wir die nächsten zwei Nächte verbringen werden. (Wegen der schmalen Gassen kann der Bus nicht bis ans Hotel fahren, das Gepäck wird mit Pick-Up-Autos gebracht.) Draußen ist ungemütlich feuchtkalt, nur ca. 12-15 Grad. Wir ziehen unsere Jacken an. Nach den bisherigen warmen und trockenen Tagen ist das schon eine Umstellung. Wir merken deutlich, daß wir uns hier auf ca. 2200 m Höhe und in einer anderen klimatischen Zone befinden. Das Wetter ist es hier in den Bergen sehr wechselhaft. Nachts ist es manchmal bitterkalt - was auch ich diese Nacht in meinem Hotelzimmer feststelle (ich friere!), ähnlich tagsüber, wenn die Wolken den Himmel bedecken. Kommt die Sonne durch, kann es ca. 20-22 Grad warm sein. Somit ist eine Vorhersage für den morgigen Tag ungewiss.
Das sehr zentral gelegene Hotel ist von draußen in der Straßenfront kaum als solches zu erkennen. Hinter der unauffälligen Fassade verbirgt sich jedoch eine schöne Anlage mit einigen schön gestalteten Innenhöfen und geräumigen Zimmern. Das einzige Manko für mich ist, daß mein Zimmer (wie wahrscheinlich auch die anderen) kein Außenfenster besitzt, sondern nur ein Fenster zum Korridor, und dadurch das Zimmer ziemlich wenig Licht bekommt.
Nach der Zimmerverteilung und dem Zimmerbezug mache ich mich auf den Weg zu ersten Erkundungen der 1528 von den Spaniern gegründeten Stadt. Die Stadt ist wunderschön, ich sehe es jetzt schon, obwohl es dunkel ist. Auf dem Zocalo und in seiner Umgebung ist es sehr lebhaft. Viele Jugendliche sitzen hier herum und sich unterhalten, zahlreiche Touristen sind natürlich auch unterwegs. Vor der Kathedrale stehen oder sitzen viele Indianerinnen mit ihren kleinen Kindern im Umhang auf dem Rücken und bieten ihre Waren an - bunte Wolldecken, Ponchos und andere Stoffe. Die Indio-Frauen sind sehr klein, haben rabenschwarze Haare, die in der Regel in zwei Zöpfe geflochten sind. Am meisten verwundert mich, daß sie trotz der Kälte barfuß sind oder lediglich Sandale tragen.
Auf dem Vorplatz vor der Kathedrale stehen viele Dreiräder mit jeweils einem hinten befestigten großen Kochtopf. Hieraus werden gekochte Maiskolben verkauft, die sich großer Nachfrage erfreuen. Ich besuche noch kurz die schöne Catedral Nuestra Senora de la Ascunsion. Hier geht gerade eine kirchliche Zeremonie zu Ende, in deren Mittelpunkt eine sehr junge mexikanische Frau steht (ich kann leider nicht einordnen, um was es sich dabei handelt). Die Kirche ist aus diesem Anlaß reichlich mit Blumen geschmückt, es wird eine feierliche Musik gespielt, und zum Schluß stellen sich der Pfarrer und verschiedene Familienmitglieder gruppenweise oder einzeln zum Erinnerungsphoto mit der jungen Frau auf.
Nach dem ersten Stadtbummel kehre ich müde, aber mit vielen neuen Eindrucken aus dieser so anderen mexikanischen Stadt zurück ins Hotel.


8. Tag: So, 23.11.2003
- San Cristóbal - Zinacantan - San Juan Chamula - San Cristóbal -

Erst um 9.30 Uhr treffen wir uns heute im Innenhof des Hotels zu einem Spaziergang durch die Altstadt von San Cristobal. Nach dem Frühstück habe ich also noch genug Zeit und schaue mich in der Umgebung des Hotels um. Der heutige Morgen begrüßt uns wieder mit einem für diese Gegend selten schönen (wie wir später von Markus hören), sonnigen Wetter. In der Gasse vor unserem Hotel und auf der nächsten Kreuzung sehe ich zahlreiche indianische Männer, Frauen und Kinder, die stehend oder auf den hohen Bürgersteigkanten sitzend scheinbar auf etwas warten. Ich kriege jedoch nicht raus, worauf.
Wie geplant, gehen wir anschließend mit unserer Gruppe zu Fuß zur einige Straßenblocks nördlich des Zocalo liegenden Kirche Santo Domingo. Das typische Schachbrettmuster kolonialer Städte erleichtert sehr die Orientierung. Überall sehen wir charakteristische niedrige Bebauung mit sehr bunten, pastellfarbenen Hausfassaden. Sie verleihen der Stadt ein besonderes Kolorit. Auf den Straßen begegnen wir vielen Indianern, die auf mich sehr exotisch wirken und irgendwie zu dieser Stadt passen. Sie kommen überwiegend aus den umliegenden Dörfern nach San Cristobal.
Rund um die Kirche Santo Domingo findet unter alten Bäumen ein farbenprächtiger Indianermarkt. Indianerinnen in ihrer Trachtkleidung hocken hier auf dem Boden und verkaufen vor allem Textilien - handgewebte Blusen, Ponchos, bunte Decken und Tücher. Aber auch selbstgefertigtes, einfaches Spielzeug, Schmuck und andere Souvenirs werden hier von den Indios angeboten. Es herrscht hier eine angenehme, freundliche Atmosphäre. Nach einem kurzen Bummel durch den interessanten Markt besichtigen wir die prunkvolle barocke Kirche mit einer prächtig gestalteten, sandsteinfarbenen Fassade. Sie ist mit sehr feinen Ornamenten, gedrehten Säulen und Heiligenfiguren reichlich verziert. Auch das Innere ist reich dekoriert und die Altare mit Gold bedeckt. Die 1551 eingeweihte Kirche und das nebenan liegende Santo Domingo Kloster waren der erste Sitz des Dominikanerordens in Chiapas. San Cristobal de las Casas - Indianer auf der Straße 1 de Marzo
Hier in der Kirche erzählt uns Markus einiges über die Religion und kirchliche Traditionen in Mexiko. Obwohl Mexiko als katholisches Land gilt, sind nur ca. 40 % der Leute katholisch. Aber viele Nichtkatholiken gehen auch in die Kirche, nehmen an verschiedenen Prozessionen und Feierlichkeiten teil, weil sie es einfach schön finden, und nicht weil sie gläubig sind oder die Religion gut kennen. Neben Katholiken gibt es viele Mormonen, Zeugen Jehovas und verschiedene amerikanische Sekten, die sich insbesondere in Nordmexiko verbreiten. Bei den Indios ist die katholische Religion mit ihren früheren Glauben sehr stark vermischt, worüber wir später noch mehr erfahren. Sie glauben gleichermaßen an das Gute und an das Böse und beten beides an. Unser Reiseleiter erzählt uns ferner über die Weihnachtsfeier in Mexiko, die sich von uns bekannten sehr unterscheiden. Es gibt schon 9 Tage vorher große Feste. Am Heiligabend geht man nur zur Kirche, Geschenke gibt es erst am 6. Januar. Aber der Einfluß der US-amerikanischen Bräuche wird auch in Mexiko immer stärker. Der Santa Claus aus Plastik, Schornsteine aus Plastik etc sind immer populärer. Auch wir selbst haben bereits gestern am Platz vor der Kathedrale eine große, aufgeblasene Nikolauspuppe gesehen.
Das größte und schönste Fest ist aber - anders als bei uns - das Allerheiligenfest. Es ist ein Fest der Freude, ein Fest, an dem die ganze Familie zusammenkommt. Man kauft z.B. aufblasbare Plastikskelette, die die Verstorbenen der Familie symbolisieren, kleidet sie in deren Lieblingskleidung ein, setzt mit am Tisch und feiert gemeinsam. Nachts gehen dann alle zum Friedhof, wo weiter gegessen, getrunken und bis in den Morgen mit Tanz und Musik gefeiert wird. Halt andere Länder, andere Sitten.
Nach dem Besuch der Santo Domingo Kirche kehren wir ins Hotel zurück. Um 11.00 Uhr starten wir dann zur Fahrt in zwei benachbarte Indio-Dörfer. Markus kündigt uns an, im Abstand von nur 15 km drei verschiedene Welten zu erleben. Nach dem weltlichen San Christobal fahren wir zunächst ins dörfliche Zinacantan und dann zum fanatisch religiösen, verschlossenen "Dorf" San Juan Chamula. Beide Orte haben sich erst vor ca. 6-7 Jahren für die Touristen geöffnet, für den Besuch muß man aber bezahlen. Zuvor wurden hier keine Fremden eingelassen, auch nicht die Mexikaner. Viele Indio-Dörfer in Chiapas sind bis heute noch autonom, dh. sie erkennen nicht die staatliche Gewalt und die mexikanischen Gesetze an, haben keine Bürgermeister, sondern die eigenen Dorfältesten. Sie dürfen nicht von der Polizei oder von den Vertretern der Staatsmacht ohne Vorankündigung betreten werden. Es führt im Alltag nicht selten zu Problemen und Konflikten. Außerdem haben die Bewohner dieser Orte keine Bürgerrechte als Mexikaner, weil sie keine Ausweise, keine Geburtsurkunden etc besitzen.
Bald erreichen wir den Ort Zinacantan, das sich als erstes Indio-Dorf gegen Eintritt für die Touristen eröffnet hat. Wir halten neben der weißen Dorfkirche im Zentrum des Ortes an, und während unser Reiseleiter in einem kleinen Kassehäuschen den Eintritt bezahlt, betreten wir schon den Kirchplatz. Heute ist ein Sonntag und in der Kirche wird gerade eine Messe bzw. eine Art Rosenkranzgebet abgehalten. Wir treten also leise herein. Es gibt dort keinen Priester - er kommt nur gelegentlich zu wichtigeren Anläßen ins Dorf. Einer der Dorfmänner leitet also die Zeremonie, die im Maya-Dialekt stattfindet. In der Kirche sitzen vor allem Frauen und Kinder in ihren traditionellen Trachten. Wir gehen in die Seitenkapelle weiter. Hier befinden sich auch Gegenstände (z.B. spezielle Behälter), die schon bei den früheren Mayas zu rituellen Zwecken dienten, erklärt uns Markus. Das alte Glaube und die alten Bräuche haben sich dann mit der neuen Religion vermischt.
Auf der anderen Seite des Kirchenplatzes befindet sich eine Kapelle, die zur Dorfkneipe umfunktioniert wurde. Hier treffen sich sonntags nach der Messe die 7 Majodomos, die im Zinacantan das Sagen haben, und andere Dorfältesten. Beim reichlichen Genuß von Zuckerrohrschnaps (Posh) wird hier eine alte, noch von den Mayas überlieferte Zeremonie am Leben gehalten, bei der sie alte Weisheiten vortragen. Als wir nach dem Kirchenbesuch im Schatten eines großen Baumes vor der Kirche stehen, verlassen gerade ca. 20 Dorfältesten diese Kneipe und durchqueren im Gänsemarsch den Kirchenplatz. Markus mahnt uns eindringlich, sie nicht zu fotografieren. Wie alle Indianer sind sie kamerascheu, und da sie schon ziemlich angetrunken sind, kann es zu unberechenbaren Reaktionen kommen. Die Männer tragen ihre Trachtkleidung - rote oder purpurne Ponchos und breite, flache Strohhüte, von denen rote und purpurne Bänder hängen. Äußerlich sehen sie aber sehr nett aus, unterhalten sich später sogar mit einigen Mitreisenden und winken später zum Abschied. San Cristobal de las Casas - Dominikanerkirche Santo Domingo und eine Indianerin
Markus erzählt uns die andere Wahrheit. Jeden Sonntag gehen die Männer nach der Messe in die Kneipe, betrinken sich so viel, wie nur möglich, gehen dann nach Hause und vergewaltigen ihre Frauen. Für sie ist das ein Teil des Sonntags, des besonderen Feiertages in der Woche und gehört einfach dazu. Der Alkohol spielt eine große Rolle unter den Indios, ist ein Teil der Religion. Und für die Frauen ist die Vergewaltigung auch nicht schlimm und eigentlich ganz normal - so grausam es in unseren Ohren klingt - so verstehen sie ihre Ehe. Sie kennen es nicht anderes, es war so schon bei den Eltern, bei den Großeltern... Nicht verwunderlich also, daß in den Dörfern so viele kleine, süße, schwarzäugige Kinder auf den Straßen spielen und auch uns auf Schritt und Tritt begleiten. Erst die modernen Ideen der modernen Gesellschaft - Verhütung, Familienplanung, Emanzipation, die langsam aus der Stadt auch die Dörfer erreichen, schaffen Unruhe, Probleme, Familienkonflikte und -tragödien.
Demokratie und Gleichberechtigung sind hier noch Fremdworte. Die Majodomos besitzen eine solche Stellung im Dorf, wie früher die Feudalherren. Die faktische Macht gehört ihnen und nicht dem offiziellen Bürgermeister, der den Staat repräsentiert. Für die Majodomos arbeitet die ganze Dorfgemeinschaft, sie bekommen und verteilen wieder das ganze Geld, finanzieren Ortsfeste, Blumen für die Kirche, etc.
Vor der Kirche erwartet uns schon eine junge Frau, die offenbar unseren Reiseleiter gut kennt, und lädt Interessierte ein, mit ihr zu gehen. Sie möchte uns ihre Behausung zeigen, natürlich nicht umsonst, merken wir später. So bessern sich manche ihr Einkommen auf. Auf dem Weg dahin mache ich einige Videoaufnahmen der Straßenszenerie und zufällig nur erwische ich mit dem Objektiv eine Indianerin, die gerade vor ihr Haus geht. Als sie es merkt, schreit sie auf und droht mir. Ich verstecke schnell den Camcorder; es ist in solchen Situationen nicht zu scherzen, hat uns Markus schon auf dem Weg im Bus gemahnt. Aber in dem schlichten Haus unserer Gastgeberin, mit einem Dach aus Wellblech und einigen Hauswänden nur aus Folienplanen, darf man alles filmen und fotografieren. Sie zeigt uns auf ihrem Webstuhl, wie eine Decke gewebt wird. In der Küche bereitet gerade ihre Mutter auf offenem Feuer einige Tacos, die wir probieren dürfen. Und zum Trinken gibt es Schnaps. Natürlich bekommen sie von uns ein paar Pesos dafür. Es sieht hier sehr ärmlich aber sauber aus. Und in der Küchenecke steht sogar ein kleiner Schwarzweiß-Fernseher.
Anschließend kehren wir zum Dorfplatz zurück und fahren beim weiterhin tollen Wetter zum nur wenige Kilometer entfernten besonderen "Dorf" San Juan Chamula, das angeblich ca. 60.000 Einwohner zählt. Trotz der nachbarschaftlichen Nähe zu Zinacantan sind beide Dörfer verfeindet. Es sind unterschiedliche Maya-Stämme, tragen andere Trachten, und man darf nicht miteinander heiraten. Die Bewohner von Chamula waren gegen die Öffnung des Ortes für die Touristen, aber die Dorfältesten haben sich durchgesetzt, denn sie waren auf den Erfolg (auch den finanziellen) der unbeliebten Nachbarn aus Zinacantan neidisch.
Hier herrscht ein noch strengeres Fotografierverbot als in Zinacantan. Die Chamulas hassen Kameras und sind Fremden gegenüber äußerst reserviert. Markus rät uns, die Kameras am besten im Bus zu belassen. Das Dorf hat eigene Gesetze. Für das Fotografieren von Einheimischen kann bis zu einem Monat Gefängnis und eine Prügelstrafe verhängt werden. Auf jeden Fall aber wird die Kamera zerschlagen, was schon auch manchmal passiert ist. Insbesondere gilt in der Dorfkirche - der größten Besonderheit des Ortes - ein absolutes Verbot für alle Kameras. Und es wird von den Dorfmännern, die mit langen Stöcken bewaffnet sind, am Eingang der Kirche penibel kontrolliert.
Markus erzählt uns von seiner früheren Arbeit im Indianerministerium. Während des Chiapas-Konfliktes hatten die Ausländer einen besseren Zugang zu den Indios als die Mexikaner, und wurden deshalb im Ministerium gerne beschäftigt. Als das Dorf noch für die Außenstehenden unzugänglich wurde, hatte Markus so den Auftrag bekommen, das Dorf und die Kirche im Inneren zu fotografieren. Er mußte seine Ankunft einige Tage vorher im Dorf anmelden, und hat sich dabei als ein Vermessungstrupp ausgegeben. So konnte er unauffällig die Fotokamera als ein Vermessungsgerät tarnen und auch das Innere der Kirche "vermessen". Seine Bildaufnahmen sind wohl die einzigen, die es von dem Innenraum gibt.
Auf dem Weg vom Parkplatz ins Dorfzentrum gehen wir an großen, gemauerten Häusern vorbei. Manche sehen wie prunkvolle Villen aus. Davor stehen nicht selten schöne Autos, die neuesten Modelle. Markus sagt uns, daß es hier noch vor einigen Jahren ganz anders ausgesehen hat - ärmliche Holzhütten, kaum ein Haus aus Stein und Ziegeln, keine Autos. Erst in der letzten Zeit ist der Ort so reich geworden. Dazu hat nicht nur die Öffnung für die Touristen oder der intensive Anbau von gutem Gemüse (damit wird San Cristobal versorgt) beigetragen, aber wahrscheinlich vor allem der Drogenhandel, der in Chiapas sehr verbreitet ist. Offensichtlich haben die Majodomos die richtigen Quellen entdeckt. San Juan Chamula - die Kirche auf dem Hauptplatz des Ortes
Am Ende der Straße kommen wir zum weitläufigen, offenen Zocalo, auf dem gerade ein großer Indianer-Markt stattfindet. Frauen in ihren traditionellen Trachten - dunkelblaue Wickelröcke sowie weiße Blusen mit hellblauen Schultertüchern oder Umhängen - verkaufen hier vor allem Obst, Gemüse und Fleisch aber auch Textilien etc. Vor allem die Orangen sind überall auf Holzkisten, die als Auslageflächen dienen, kunstvoll in kleine Pyramiden aufgestapelt. Vor der prallen Sonne schützen sich die Marktfrauen mit großen regenbogenfarbenen Schirmen. Die Männer tragen nicht mehr so konsequent ihre Trachten. Aber wir sehen auch einige, vor allem ältere Männer, in ihren traditionellen dick gewebten Umhängen aus schwarzer oder weißer Wolle, die um die Taille mit Ledergürteln zusammengehalten werden. Auf dem Markt herrscht ein geschäftiges Treiben, die Indianer sind hier fast unter sich. Es gefällt mir sehr auf diesem farbenfrohen, typisch indianischen Markt.
Wir gehen jetzt zur weiß gestrichenen Kirche auf der gegenüberliegenden Seite des großen Platzes, die über die übrige Bebauung dominiert. Vor dem Eintritt verstauen wir natürlich unsere Kameras in den Taschen. Nach dem Betreten der Kirche bietet sich unseren Augen im Halbdunkeln des Raumes ein fantastisches, ungewohntes Bild. Es gibt hier weder Sitzbänke noch Stühle. Der ganze Fußboden ist mit wohlriechenden Kiefernadeln und Zweigen ausgelegt. Die verrauchte, düstere Kirche wird durch ein Meer von unzähligen Kerzen erleuchtet, die überall auf den Boden oder auf verschiedenen kleineren oder größeren Tischen aufgestellt sind. An allen Wänden stehen zahlreiche verglaste Vitrinen, in denen sich verschiedene Heiligenfiguren befinden. In der Kirche gibt es keinen katholischen Priester. Er wurde vor Jahren schon von den Indios vertrieben. Sie glauben nämlich fest daran, daß sie keine Vermittler brauchen, sondern als die Einzigen in der Welt selbst unmittelbar mit den Heiligen kommunizieren können. Sie betreiben in der Kirche fanatisch und mit innerster Überzeugung einen besonderen Kult, der eine Mischung aus der katholischen Religion und des alten indianischen (Aber-)Glaubens darstellt.
Wir bleiben aus Respekt vor den betenden Indios im hinteren Bereich der Kirche und beobachten neugierig das Geschehen. Markus gibt uns ab und zu einige Erläuterungen dazu. Gerade betritt eine 4köpfige Indio-Familie die Kirche. Sie bleiben gleich stehen und der Familienoberhaupt beginnt ein lautes Gebet oder eher ein Monolog an. Mit einer kräftigen Stimme schildert er wohl mit eigenen Worten seine Probleme oder Sorgen. Verstehen können wir nichts, denn er spricht einen Maya-Dialekt. Dann schaut er sich in der Kirche um, wählt eine Heiligenfigur aus, und begibt sich mit seiner Familie auf sie zu. Viele andere Indianer sitzen oder knien schon überall auf dem Boden - vor den Heiligen, vor entzündeten Kerzen, mitten in der Kirche - und murmeln oder reden im Extase-Zustand; reden lautstark mit ihren Heiligen. Die Indios kommen in die Kirche nur, wenn sie ein Problem haben und Hilfe von den Heiligen brauchen. Sie suchen sich dabei einen Heiligen aus, von dem sie sich die erwünschte Hilfe versprechen. Wenn die Hilfe aber nicht kommt, passiert schon mal, daß der Heilige zur Strafe georfeigt wird oder mit dem Gesicht zur Wand umgedreht, erzählt und Markus. Einige der Figuren sind schon sichtbar beschädigt. Sie wollten wohl keinen Wunsch erfüllen.
Die Indios bringen in die Kirche Taschen mit verschiedenen Utensilien, die sie für ihre Rituale benötigen. Wir beobachten einige, die aus den Flaschen Coca-Cola trinken. Dieses Getränk gehört neben Fanta zu den wichtigsten rituellen Hilfsmitteln. Wenn man diese heiligen Getränke nämlich zu sich nimmt, rülpst man danach, und mit dem Rülpser entweichen dem Körper die bösen Geister und das Übel. Sie dienen also der rituellen Reinigung. Und auch der Zuckerrohrschnaps ist sehr wichtig und wird reichlich getrunken. In dem heiligen Rausch können sie eins mit den Göttern werden. Manchmal werden die Gemeindemitglieder mit dem Schnaps bespuckt. Manchmal werden rohe Eier auf dem Kopf zerschlagen und in denselben eingerieben - auch ein Reinigungszeremonial. Manchmal werden in der Kirche sogar Hühner rituell geschlachtet.
Erschreckend ist nur, wie manche Touristen zwischen den Betenden laufen, beinahe die Kerzen umstoßen und den Indios auf die Füße treten. Abgesehen schon von der Respektlosigkeit den Betenden gegenüber, kann es auch passieren, daß die tief im Gebet vertieften Indios mitunter aggressiv reagieren, in dem Transzustand sind sie sehr fanatisch. Und es wäre nur allzu verständlich in einer solchen Situation. Vor der Kirche hören wir ab und zu laute Knalle. Dies gehört auch zu den seltsamen Ritualen.
San Cristobal de las Casas - die Kathedrale (Catedral Nuestra Senora de la Asunción) am späten Nachmittag Nach dem Besuch der Kirche haben wir noch etwas Zeit, durch den sehr sehenswerten, farbenfrohen Indio-Markt auf dem Zocalo zu bummeln. Ich fühle mich hier, wie in eine andere Welt versetzt. Dem Zauber dieser Welt kann ich nicht widerstehen, und als ich glaube, nicht beobachtet zu werden, mache ich doch noch einige Gesamtaufnahmen des Marktes. Um 13.40 Uhr fahren wir zurück nach San Cristobal. Unser Reiseleiter empfehlt uns nach der Ankunft den Besuch eines kleinen aber sehr sehenswerten, privaten Jade-Museums (Museo Mesoamericano del Jade, Homepage des Museums ). Er führt uns zu dem Museum, das zentral zwischen dem Vorplatz der Kathedrale und unserem Hotel, an der Av. 16 de Septiembre, und bietet, selbst eine Führung zu machen. Das Museum ist an ein Juweliergeschäft angeschlossen, das von bewaffneten Soldaten (wie auch manch ein anderes Gebäude) überwacht wird. In zwei Ausstellungsräumen befinden sich sehr gute Nachbildungen verschiedener Grabbeilagen und Utensilien, die in den alten Maya-Stätten gefunden worden sind. Der eigentliche Schatz des Museums und der Grund unseres Besuchs ist aber eine komplette Nachbildung des Grabes des Königs Pakal, dessen Entdeckung unterhalb der Pyramide der Inschriften in Palenque im Jahre 1952 eine archäologische Sensation war. Das Ende des Zugangskorridors, der große Sarkophag, dessen Deckel ein eindruckvolles und sehr bekanntes Maya-Reliefbild trägt, sowie die Gebeine des Königs sind in der Originalgröße nachgebildet. Diese Nachbildung gilt als die Beste in Mexiko und wurde schon mehrfach prämiert. Es lohnt sich wirklich, sie zu sehen. In dem Juweliergeschäft kann man außerdem ein zerlegbares Model der Pyramide der Inschriften sehen. An diesem Model demonstriert uns Markus die geheimen Gänge und die Lage der Grabstelle mit dem Sarkophag innerhalb der Pyramide.
Um 14.30 Uhr sind wir zurück im Hotel. Nach einer anderhalbstündigen Erholung gehe ich nochmals in die Altstadt. Zunächst mache ich einen Rundgang durch den Zocalo, der hier Plaza 31 de Marzo genannt wird. Ein schmuckes Palacio Municipal mit 17 Arkadenbögen dominiert die westliche Seite der Plaza. Auch die zwei anderen Seiten des mit großen alten Bäumen bestandenen Platzes sind von alten Häusern mit Arkaden umgeben. Die nördliche Flanke des Platzes bildet die Seitenwand der Kathedrale. Vom Zocalo aus gehe ich dann ein Stückchen in südlicher Richtung. Auf einem Hügel im Südwesten steht die weiße Kirche des heiligen Cristobal, zu der eine lange Treppe führt. Ich verzichte auf den anstrengenden Aufstieg - zumal diese Gegend den Touristen nicht unbedingt empfohlen wird (an der Kirche gab es einige Überfälle) und richte mich jetzt in die entgegengesetzte Richtung.
Ich besuche nochmals den pittoresken Indio-Markt an der Santo Domingo Kirche und gehe dann noch ein paar Straßenblocks weiter in die nördliche Richtung. Hier befindet sich ein großer Mercado - ein ausgedehnter Markt, auf dem die Tzeltal- und Tzotzil-Indianer Gemüse, Obst, Blumen, Korbwaren, Hühner und viel anderes verkaufen. Ich laufe durch den sehr interessanten Markt mit vielen schönen Fotomotiven. Da ich hier aber der einzige Tourist bin und die Indios auf den Blick meiner Kamera grimmig reagieren, verzichte ich auf das Fotografieren. Auf dem Rückweg ins Zentrum bewundere ich die bunten, pastellfarbenen Fassaden der ein- bis zweigeschossigen Häuser, die alle Straßen säumen. Dann setze ich mich noch auf eine Bank auf dem großen Vorplatz der Kathedrale und genieße einfach das wunderschöne Wetter und das bunte Treiben vor meinen Augen. Indianische Händlerinnen in farbenfrohen Trachten mit ihren kleinen Kindern, die Maiskolbenverkäufer, die grelle Fassade der Kathedrale, die jetzt beim Sonnenuntergang voll ihre gelbe Farbenpracht entfaltet - all dies fesselt mich einfach an diesen Ort.
Um 18.00 Uhr gehe ich mit einem Mitreisenden zum Restaurant "Paris - Mexiko", an einer Seitenstraße östlich des Zocalo gelegen, das uns der Reiseleiter empfohlen hat. Hier treffen wir schon einige andere Teilnehmer unserer Rundreise. Ein paar weitere kommen später noch hinzu. Beim guten mexikanischen Essen genießen wir den Abend.



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