Erst um 9.30 Uhr treffen wir uns heute im Innenhof des Hotels zu einem Spaziergang durch die Altstadt von San Cristobal. Nach dem Frühstück habe ich also noch genug Zeit und schaue mich in der Umgebung des Hotels um. Der heutige Morgen begrüßt uns wieder mit einem für diese Gegend selten schönen (wie wir später von Markus hören), sonnigen Wetter. In der Gasse vor unserem Hotel und auf der nächsten Kreuzung sehe ich zahlreiche indianische Männer, Frauen und Kinder, die stehend oder auf den hohen Bürgersteigkanten sitzend scheinbar auf etwas warten. Ich kriege jedoch nicht raus, worauf.
Wie geplant, gehen wir anschließend mit unserer Gruppe zu Fuß zur einige Straßenblocks nördlich des Zocalo liegenden Kirche Santo Domingo. Das typische Schachbrettmuster kolonialer Städte erleichtert sehr die Orientierung. Überall sehen wir charakteristische niedrige Bebauung mit sehr bunten, pastellfarbenen Hausfassaden. Sie verleihen der Stadt ein besonderes Kolorit. Auf den Straßen begegnen wir vielen Indianern, die auf mich sehr exotisch wirken und irgendwie zu dieser Stadt passen. Sie kommen überwiegend aus den umliegenden Dörfern nach San Cristobal.
Rund um die Kirche Santo Domingo findet unter alten Bäumen ein farbenprächtiger Indianermarkt. Indianerinnen in ihrer Trachtkleidung hocken hier auf dem Boden und verkaufen vor allem Textilien - handgewebte Blusen, Ponchos, bunte Decken und Tücher. Aber auch selbstgefertigtes, einfaches Spielzeug, Schmuck und andere Souvenirs werden hier von den Indios angeboten. Es herrscht hier eine angenehme, freundliche Atmosphäre.
Nach einem kurzen Bummel durch den interessanten Markt besichtigen wir die prunkvolle barocke Kirche mit einer prächtig gestalteten, sandsteinfarbenen Fassade. Sie ist mit sehr feinen Ornamenten, gedrehten Säulen und Heiligenfiguren reichlich verziert. Auch das Innere ist reich dekoriert und die Altare mit Gold bedeckt. Die 1551 eingeweihte Kirche und das nebenan liegende Santo Domingo Kloster waren der erste Sitz des Dominikanerordens in Chiapas.
Hier in der Kirche erzählt uns Markus einiges über die Religion und kirchliche Traditionen in Mexiko.
Obwohl Mexiko als katholisches Land gilt, sind nur ca. 40 % der Leute katholisch. Aber viele Nichtkatholiken gehen auch in die Kirche, nehmen an verschiedenen Prozessionen und Feierlichkeiten teil, weil sie es einfach schön finden, und nicht weil sie gläubig sind oder die Religion gut kennen. Neben Katholiken gibt es viele Mormonen, Zeugen Jehovas und verschiedene amerikanische Sekten, die sich insbesondere in Nordmexiko verbreiten.
Bei den Indios ist die katholische Religion mit ihren früheren Glauben sehr stark vermischt, worüber wir später noch mehr erfahren. Sie glauben gleichermaßen an das Gute und an das Böse und beten beides an. Unser Reiseleiter erzählt uns ferner über die Weihnachtsfeier in Mexiko, die sich von uns bekannten sehr unterscheiden. Es gibt schon 9 Tage vorher große Feste. Am Heiligabend geht man nur zur Kirche, Geschenke gibt es erst am 6. Januar. Aber der Einfluß der US-amerikanischen Bräuche wird auch in Mexiko immer stärker. Der Santa Claus aus Plastik, Schornsteine aus Plastik etc sind immer populärer. Auch wir selbst haben bereits gestern am Platz vor der Kathedrale eine große, aufgeblasene Nikolauspuppe gesehen.
Das größte und schönste Fest ist aber - anders als bei uns - das Allerheiligenfest. Es ist ein Fest der Freude, ein Fest, an dem die ganze Familie zusammenkommt. Man kauft z.B. aufblasbare Plastikskelette, die die Verstorbenen der Familie symbolisieren, kleidet sie in deren Lieblingskleidung ein, setzt mit am Tisch und feiert gemeinsam.
Nachts gehen dann alle zum Friedhof, wo weiter gegessen, getrunken und bis in den Morgen mit Tanz und Musik gefeiert wird. Halt andere Länder, andere Sitten.
Nach dem Besuch der Santo Domingo Kirche kehren wir ins Hotel zurück. Um 11.00 Uhr starten wir dann zur Fahrt in zwei benachbarte Indio-Dörfer. Markus kündigt uns an, im Abstand von nur 15 km drei verschiedene Welten zu erleben. Nach dem weltlichen San Christobal fahren wir zunächst ins dörfliche Zinacantan und dann zum fanatisch religiösen, verschlossenen "Dorf" San Juan Chamula. Beide Orte haben sich erst vor ca. 6-7 Jahren für die Touristen geöffnet, für den Besuch muß man aber bezahlen. Zuvor wurden hier keine Fremden eingelassen, auch nicht die Mexikaner. Viele Indio-Dörfer in Chiapas sind bis heute noch autonom, dh. sie erkennen nicht die staatliche Gewalt und die mexikanischen Gesetze an, haben keine Bürgermeister, sondern die eigenen Dorfältesten. Sie dürfen nicht von der Polizei oder von den Vertretern der Staatsmacht ohne Vorankündigung betreten werden. Es führt im Alltag nicht selten zu Problemen und Konflikten. Außerdem haben die Bewohner dieser Orte keine Bürgerrechte als Mexikaner, weil sie keine Ausweise, keine Geburtsurkunden etc besitzen.
Bald erreichen wir den Ort Zinacantan, das sich als erstes Indio-Dorf gegen Eintritt für die Touristen eröffnet hat.
Wir halten neben der weißen Dorfkirche im Zentrum des Ortes an, und während unser Reiseleiter in einem kleinen Kassehäuschen den Eintritt bezahlt, betreten wir schon den Kirchplatz. Heute ist ein Sonntag und in der Kirche wird gerade eine Messe bzw. eine Art Rosenkranzgebet abgehalten. Wir treten also leise herein. Es gibt dort keinen Priester - er kommt nur gelegentlich zu wichtigeren Anläßen ins Dorf. Einer der Dorfmänner leitet also die Zeremonie, die im Maya-Dialekt stattfindet. In der Kirche sitzen vor allem Frauen und Kinder in ihren traditionellen Trachten.
Wir gehen in die Seitenkapelle weiter. Hier befinden sich auch Gegenstände (z.B. spezielle Behälter), die schon bei den früheren Mayas zu rituellen Zwecken dienten, erklärt uns Markus. Das alte Glaube und die alten Bräuche haben sich dann mit der neuen Religion vermischt.
Auf der anderen Seite des Kirchenplatzes befindet sich eine Kapelle, die zur Dorfkneipe umfunktioniert wurde. Hier treffen sich sonntags nach der Messe die 7 Majodomos, die im Zinacantan das Sagen haben, und andere Dorfältesten. Beim reichlichen Genuß von Zuckerrohrschnaps (Posh) wird hier eine alte, noch von den Mayas überlieferte Zeremonie am Leben gehalten, bei der sie alte Weisheiten vortragen. Als wir nach dem Kirchenbesuch im Schatten eines großen Baumes vor der Kirche stehen, verlassen gerade ca. 20 Dorfältesten diese Kneipe und durchqueren im Gänsemarsch den Kirchenplatz.
Markus mahnt uns eindringlich, sie nicht zu fotografieren. Wie alle Indianer sind sie kamerascheu, und da sie schon ziemlich angetrunken sind, kann es zu unberechenbaren Reaktionen kommen. Die Männer tragen ihre Trachtkleidung - rote oder purpurne Ponchos und breite, flache Strohhüte, von denen rote und purpurne Bänder hängen. Äußerlich sehen sie aber sehr nett aus, unterhalten sich später sogar mit einigen Mitreisenden und winken später zum Abschied.
Markus erzählt uns die andere Wahrheit. Jeden Sonntag gehen die Männer nach der Messe in die Kneipe, betrinken sich so viel, wie nur möglich, gehen dann nach Hause und vergewaltigen ihre Frauen. Für sie ist das ein Teil des Sonntags, des besonderen Feiertages in der Woche und gehört einfach dazu. Der Alkohol spielt eine große Rolle unter den Indios, ist ein Teil der Religion. Und für die Frauen ist die Vergewaltigung auch nicht schlimm und eigentlich ganz normal - so grausam es in unseren Ohren klingt - so verstehen sie ihre Ehe. Sie kennen es nicht anderes, es war so schon bei den Eltern, bei den Großeltern... Nicht verwunderlich also, daß in den Dörfern so viele kleine, süße, schwarzäugige Kinder auf den Straßen spielen und auch uns auf Schritt und Tritt begleiten. Erst die modernen Ideen der modernen Gesellschaft - Verhütung, Familienplanung, Emanzipation, die langsam aus der Stadt auch die Dörfer erreichen, schaffen Unruhe, Probleme, Familienkonflikte und -tragödien.
Demokratie und Gleichberechtigung sind hier noch Fremdworte. Die Majodomos besitzen eine solche Stellung im Dorf, wie früher die Feudalherren. Die faktische Macht gehört ihnen und nicht dem offiziellen Bürgermeister, der den Staat repräsentiert. Für die Majodomos arbeitet die ganze Dorfgemeinschaft, sie bekommen und verteilen wieder das ganze Geld, finanzieren Ortsfeste, Blumen für die Kirche, etc.
Vor der Kirche erwartet uns schon eine junge Frau, die offenbar unseren Reiseleiter gut kennt, und lädt Interessierte ein, mit ihr zu gehen. Sie möchte uns ihre Behausung zeigen, natürlich nicht umsonst, merken wir später. So bessern sich manche ihr Einkommen auf.
Auf dem Weg dahin mache ich einige Videoaufnahmen der Straßenszenerie und zufällig nur erwische ich mit dem Objektiv eine Indianerin, die gerade vor ihr Haus geht. Als sie es merkt, schreit sie auf und droht mir. Ich verstecke schnell den Camcorder; es ist in solchen Situationen nicht zu scherzen, hat uns Markus schon auf dem Weg im Bus gemahnt.
Aber in dem schlichten Haus unserer Gastgeberin, mit einem Dach aus Wellblech und einigen Hauswänden nur aus Folienplanen, darf man alles filmen und fotografieren. Sie zeigt uns auf ihrem Webstuhl, wie eine Decke gewebt wird. In der Küche bereitet gerade ihre Mutter auf offenem Feuer einige Tacos, die wir probieren dürfen. Und zum Trinken gibt es Schnaps. Natürlich bekommen sie von uns ein paar Pesos dafür. Es sieht hier sehr ärmlich aber sauber aus. Und in der Küchenecke steht sogar ein kleiner Schwarzweiß-Fernseher.
Anschließend kehren wir zum Dorfplatz zurück und fahren beim weiterhin tollen Wetter zum nur wenige Kilometer entfernten besonderen "Dorf" San Juan Chamula, das angeblich ca. 60.000 Einwohner zählt. Trotz der nachbarschaftlichen Nähe zu Zinacantan sind beide Dörfer verfeindet. Es sind unterschiedliche Maya-Stämme, tragen andere Trachten, und man darf nicht miteinander heiraten. Die Bewohner von Chamula waren gegen die Öffnung des Ortes für die Touristen, aber die Dorfältesten haben sich durchgesetzt, denn sie waren auf den Erfolg (auch den finanziellen) der unbeliebten Nachbarn aus Zinacantan neidisch.
Hier herrscht ein noch strengeres Fotografierverbot als in Zinacantan. Die Chamulas hassen Kameras und sind Fremden gegenüber äußerst reserviert. Markus rät uns, die Kameras am besten im Bus zu belassen. Das Dorf hat eigene Gesetze. Für das Fotografieren von Einheimischen kann bis zu einem Monat Gefängnis und eine Prügelstrafe verhängt werden. Auf jeden Fall aber wird die Kamera zerschlagen, was schon auch manchmal passiert ist. Insbesondere gilt in der Dorfkirche - der größten Besonderheit des Ortes - ein absolutes Verbot für alle Kameras. Und es wird von den Dorfmännern, die mit langen Stöcken bewaffnet sind, am Eingang der Kirche penibel kontrolliert.
Markus erzählt uns von seiner früheren Arbeit im Indianerministerium. Während des Chiapas-Konfliktes hatten die Ausländer einen besseren Zugang zu den Indios als die Mexikaner, und wurden deshalb im Ministerium gerne beschäftigt.
Als das Dorf noch für die Außenstehenden unzugänglich wurde, hatte Markus so den Auftrag bekommen, das Dorf und die Kirche im Inneren zu fotografieren. Er mußte seine Ankunft einige Tage vorher im Dorf anmelden, und hat sich dabei als ein Vermessungstrupp ausgegeben. So konnte er unauffällig die Fotokamera als ein Vermessungsgerät tarnen und auch das Innere der Kirche "vermessen". Seine Bildaufnahmen sind wohl die einzigen, die es von dem Innenraum gibt.
Auf dem Weg vom Parkplatz ins Dorfzentrum gehen wir an großen, gemauerten Häusern vorbei. Manche sehen wie prunkvolle Villen aus. Davor stehen nicht selten schöne Autos, die neuesten Modelle. Markus sagt uns, daß es hier noch vor einigen Jahren ganz anders ausgesehen hat - ärmliche Holzhütten, kaum ein Haus aus Stein und Ziegeln, keine Autos. Erst in der letzten Zeit ist der Ort so reich geworden. Dazu hat nicht nur die Öffnung für die Touristen oder der intensive Anbau von gutem Gemüse (damit wird San Cristobal versorgt) beigetragen, aber wahrscheinlich vor allem der Drogenhandel, der in Chiapas sehr verbreitet ist. Offensichtlich haben die Majodomos die richtigen Quellen entdeckt.
Am Ende der Straße kommen wir zum weitläufigen, offenen Zocalo, auf dem gerade ein großer Indianer-Markt stattfindet.
Frauen in ihren traditionellen Trachten - dunkelblaue Wickelröcke sowie weiße Blusen mit hellblauen Schultertüchern oder Umhängen - verkaufen hier vor allem Obst, Gemüse und Fleisch aber auch Textilien etc. Vor allem die Orangen sind überall auf Holzkisten, die als Auslageflächen dienen, kunstvoll in kleine Pyramiden aufgestapelt. Vor der prallen Sonne schützen sich die Marktfrauen mit großen regenbogenfarbenen Schirmen. Die Männer tragen nicht mehr so konsequent ihre Trachten. Aber wir sehen auch einige, vor allem ältere Männer, in ihren traditionellen dick gewebten Umhängen aus schwarzer oder weißer Wolle, die um die Taille mit Ledergürteln zusammengehalten werden.
Auf dem Markt herrscht ein geschäftiges Treiben, die Indianer sind hier fast unter sich. Es gefällt mir sehr auf diesem farbenfrohen, typisch indianischen Markt.
Wir gehen jetzt zur weiß gestrichenen Kirche auf der gegenüberliegenden Seite des großen Platzes, die über die übrige Bebauung dominiert. Vor dem Eintritt verstauen wir natürlich unsere Kameras in den Taschen. Nach dem Betreten der Kirche bietet sich unseren Augen im Halbdunkeln des Raumes ein fantastisches, ungewohntes Bild.
Es gibt hier weder Sitzbänke noch Stühle. Der ganze Fußboden ist mit wohlriechenden Kiefernadeln und Zweigen ausgelegt.
Die verrauchte, düstere Kirche wird durch ein Meer von unzähligen Kerzen erleuchtet, die überall auf den Boden oder auf verschiedenen kleineren oder größeren Tischen aufgestellt sind. An allen Wänden stehen zahlreiche verglaste Vitrinen, in denen sich verschiedene Heiligenfiguren befinden.
In der Kirche gibt es keinen katholischen Priester. Er wurde vor Jahren schon von den Indios vertrieben. Sie glauben nämlich fest daran, daß sie keine Vermittler brauchen, sondern als die Einzigen in der Welt selbst unmittelbar mit den Heiligen kommunizieren können. Sie betreiben in der Kirche fanatisch und mit innerster Überzeugung einen besonderen Kult, der eine Mischung aus der katholischen Religion und des alten indianischen (Aber-)Glaubens darstellt.
Wir bleiben aus Respekt vor den betenden Indios im hinteren Bereich der Kirche und beobachten neugierig das Geschehen. Markus gibt uns ab und zu einige Erläuterungen dazu. Gerade betritt eine 4köpfige Indio-Familie die Kirche. Sie bleiben gleich stehen und der Familienoberhaupt beginnt ein lautes Gebet oder eher ein Monolog an. Mit einer kräftigen Stimme schildert er wohl mit eigenen Worten seine Probleme oder Sorgen. Verstehen können wir nichts, denn er spricht einen Maya-Dialekt. Dann schaut er sich in der Kirche um, wählt eine Heiligenfigur aus, und begibt sich mit seiner Familie auf sie zu. Viele andere Indianer sitzen oder knien schon überall auf dem Boden - vor den Heiligen, vor entzündeten Kerzen, mitten in der Kirche - und murmeln oder reden im Extase-Zustand; reden lautstark mit ihren Heiligen. Die Indios kommen in die Kirche nur, wenn sie ein Problem haben und Hilfe von den Heiligen brauchen. Sie suchen sich dabei einen Heiligen aus, von dem sie sich die erwünschte Hilfe versprechen. Wenn die Hilfe aber nicht kommt, passiert schon mal, daß der Heilige zur Strafe georfeigt wird oder mit dem Gesicht zur Wand umgedreht, erzählt und Markus. Einige der Figuren sind schon sichtbar beschädigt. Sie wollten wohl keinen Wunsch erfüllen.
Die Indios bringen in die Kirche Taschen mit verschiedenen Utensilien, die sie für ihre Rituale benötigen. Wir beobachten einige, die aus den Flaschen Coca-Cola trinken. Dieses Getränk gehört neben Fanta zu den wichtigsten rituellen Hilfsmitteln. Wenn man diese heiligen Getränke nämlich zu sich nimmt, rülpst man danach, und mit dem Rülpser entweichen dem Körper die bösen Geister und das Übel. Sie dienen also der rituellen Reinigung. Und auch der Zuckerrohrschnaps ist sehr wichtig und wird reichlich getrunken. In dem heiligen Rausch können sie eins mit den Göttern werden. Manchmal werden die Gemeindemitglieder mit dem Schnaps bespuckt. Manchmal werden rohe Eier auf dem Kopf zerschlagen und in denselben eingerieben - auch ein Reinigungszeremonial. Manchmal werden in der Kirche sogar Hühner rituell geschlachtet.
Erschreckend ist nur, wie manche Touristen zwischen den Betenden laufen, beinahe die Kerzen umstoßen und den Indios auf die Füße treten. Abgesehen schon von der Respektlosigkeit den Betenden gegenüber, kann es auch passieren, daß die tief im Gebet vertieften Indios mitunter aggressiv reagieren, in dem Transzustand sind sie sehr fanatisch. Und es wäre nur allzu verständlich in einer solchen Situation.
Vor der Kirche hören wir ab und zu laute Knalle. Dies gehört auch zu den seltsamen Ritualen.
Nach dem Besuch der Kirche haben wir noch etwas Zeit, durch den sehr sehenswerten, farbenfrohen Indio-Markt auf dem Zocalo zu bummeln. Ich fühle mich hier, wie in eine andere Welt versetzt. Dem Zauber dieser Welt kann ich nicht widerstehen, und als ich glaube, nicht beobachtet zu werden, mache ich doch noch einige Gesamtaufnahmen des Marktes. Um 13.40 Uhr fahren wir zurück nach San Cristobal. Unser Reiseleiter empfehlt uns nach der Ankunft den Besuch eines kleinen aber sehr sehenswerten, privaten Jade-Museums (Museo Mesoamericano del Jade,
). Er führt uns zu dem Museum, das zentral zwischen dem Vorplatz der Kathedrale und unserem Hotel, an der Av. 16 de Septiembre, und bietet, selbst eine Führung zu machen. Das Museum ist an ein Juweliergeschäft angeschlossen, das von bewaffneten Soldaten (wie auch manch ein anderes Gebäude) überwacht wird. In zwei Ausstellungsräumen befinden sich sehr gute Nachbildungen verschiedener Grabbeilagen und Utensilien, die in den alten Maya-Stätten gefunden worden sind.
Der eigentliche Schatz des Museums und der Grund unseres Besuchs ist aber eine komplette Nachbildung des Grabes des Königs Pakal, dessen Entdeckung unterhalb der Pyramide der Inschriften in Palenque im Jahre 1952 eine archäologische Sensation war.
Das Ende des Zugangskorridors, der große Sarkophag, dessen Deckel ein eindruckvolles und sehr bekanntes Maya-Reliefbild trägt, sowie die Gebeine des Königs sind in der Originalgröße nachgebildet. Diese Nachbildung gilt als die Beste in Mexiko und wurde schon mehrfach prämiert. Es lohnt sich wirklich, sie zu sehen. In dem Juweliergeschäft kann man außerdem ein zerlegbares Model der Pyramide der Inschriften sehen. An diesem Model demonstriert uns Markus die geheimen Gänge und die Lage der Grabstelle mit dem Sarkophag innerhalb der Pyramide.
Um 14.30 Uhr sind wir zurück im Hotel. Nach einer anderhalbstündigen Erholung gehe ich nochmals in die Altstadt. Zunächst mache ich einen Rundgang durch den Zocalo, der hier Plaza 31 de Marzo genannt wird. Ein schmuckes Palacio Municipal mit 17 Arkadenbögen dominiert die westliche Seite der Plaza. Auch die zwei anderen Seiten des mit großen alten Bäumen bestandenen Platzes sind von alten Häusern mit Arkaden umgeben. Die nördliche Flanke des Platzes bildet die Seitenwand der Kathedrale. Vom Zocalo aus gehe ich dann ein Stückchen in südlicher Richtung. Auf einem Hügel im Südwesten steht die weiße Kirche des heiligen Cristobal, zu der eine lange Treppe führt. Ich verzichte auf den anstrengenden Aufstieg - zumal diese Gegend den Touristen nicht unbedingt empfohlen wird (an der Kirche gab es einige Überfälle) und richte mich jetzt in die entgegengesetzte Richtung.
Ich besuche nochmals den pittoresken Indio-Markt an der Santo Domingo Kirche und gehe dann noch ein paar Straßenblocks weiter in die nördliche Richtung. Hier befindet sich ein großer Mercado - ein ausgedehnter Markt, auf dem die Tzeltal- und Tzotzil-Indianer Gemüse, Obst, Blumen, Korbwaren, Hühner und viel anderes verkaufen. Ich laufe durch den sehr interessanten Markt mit vielen schönen Fotomotiven. Da ich hier aber der einzige Tourist bin und die Indios auf den Blick meiner Kamera grimmig reagieren, verzichte ich auf das Fotografieren. Auf dem Rückweg ins Zentrum bewundere ich die bunten, pastellfarbenen Fassaden der ein- bis zweigeschossigen Häuser, die alle Straßen säumen. Dann setze ich mich noch auf eine Bank auf dem großen Vorplatz der Kathedrale und genieße einfach das wunderschöne Wetter und das bunte Treiben vor meinen Augen. Indianische Händlerinnen in farbenfrohen Trachten mit ihren kleinen Kindern, die Maiskolbenverkäufer, die grelle Fassade der Kathedrale, die jetzt beim Sonnenuntergang voll ihre gelbe Farbenpracht entfaltet - all dies fesselt mich einfach an diesen Ort.
Um 18.00 Uhr gehe ich mit einem Mitreisenden zum Restaurant "Paris - Mexiko", an einer Seitenstraße östlich des Zocalo gelegen, das uns der Reiseleiter empfohlen hat. Hier treffen wir schon einige andere Teilnehmer unserer Rundreise. Ein paar weitere kommen später noch hinzu. Beim guten mexikanischen Essen genießen wir den Abend.
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